Stellungsnahme der migrantische linke zum integrationsratswahlen
Wir haben zwar eigentlich keine Wahl, doch wir haben eine Stimme!
Am 12. September 2021 findet in Göttingen neben den Kommunalwahlen und der Bundestagswahl parallel auch die Wahl zum Integrationsrat statt. Kandidat*innen aus 11 verschiedenen Listen bewerben sich um die 11 Sitze im Integrationsrat Göttingen.
Eigentlich sollte bei dieser Integrationsratswahl auch eine internationalistische Liste mit 5 Personen zur Wahl stehen. Nun aber ist es durch einen bürokratischen Verwaltungsakt und auch durch Versäumnise der Gruppe wegen Zeitknappheit, nicht mehr möglich als Liste zu kandidieren. Als am
22.07.21 als letztem Tag um 12:30 Uhr alle Unterlagen der Kandidatinnen beim Wahlamt eingereicht wurden, fehlte bei den Unterlagen ein Zettel mit zwei Unterschriften von Kandidatinnen. Sie müssten innerhalb von 30 Minuten diese Unterschriften einreichen. Die Einreichenden haben den zuständigen Beamt*en gebeten, dass er ihnen 1 Stunde Zeit geben möge, damit die Unterschriften besorgt werden können. Doch lies die deutsche Bürokratie keinen Ermessungsspielraum dafür. Die nun nicht zur Wahl zugelassene Liste wird nun ohne bei der Wahl antreten zu können, ihre antirassistische und antikolonialistische politische Arbeit weitermachen.
Als Alternative werden wir daher die Liste der Anatolische Kulturzentrum(AKM) unterstützen.
Viele der anderen Kandidatinnen kennen wir nicht, weshalb wir euch zu ihnen auch keine Empfehlung abgeben können. Es gibt Listen, bei denen einige Personen mit Migrationshintergrund zur Wahl stehen, die mehr Stellvertreterinnen für SPD- und CDU-Politik sein werden, anstatt für die Rechte der großen Mehrheit von Geflüchteten und Migrant*innen einzutreten. Wählt diese Listen, die unsere Interessen verraten, nicht!
Wir als migrantische Linke machen uns über die Möglichkeiten von Wahlen allgmein keine falschen Illusionen und verbinden mit Wahlen keine großen Hoffnungen. Uns ist klar, dass die über Jahrhunderte aufgebauten Machtverhältnisse nicht zulassen werden, dass durch Wahlen viel geändert wird. Erst recht wird sich durch Wahlen nichts für Migrant*innen ändern aufgrund der rassistischen Ausgrenzungsmechanismen der Gesetzgebung.
Dass z.B. nicht wirklich eine Teilhabe durch den Integrationsrat gewünscht wird zeigt sich dadurch, dass Kandidatinnen des Integrationsrats leider nur ein Anhörungsrecht aber kein Mitbestimmungsrecht haben. Für die Migrantinnen bestimmen darf nur eine Weiß-dominierte rassistische Politik.
Angesichts des gegenwärtigen Rechtsrucks an allen Ecken – von Nazi-Banden, AFD, rechts-konservativen Parteien CDU & SPD genauso wie rechtskonservativen nationalistischen Organisationen mit Migrationshintergrund – wollen wir ein Zeichen setzen und entscheiden uns bei der Wahl für die Migrantinnen der internationalen Liste, damit nicht wieder Rechtsnationalisten in den Integrationsrat hineingewählt werden. Uns geht es in unserem Aufruf nicht um Wahlen an sich, sondern um die Gefährdung unserer Freiheit durch rassistisch motivierte Gewalt – sei es von staalicher Seite durch Abschiebung und Kriminalsierung, sei es von organisierten Nazi-Verbrechern oder von nationalistischen paramilitärischen Banden! Unter anderen tritt bei der Wahl zum Integrationsrat wie immer („Türkisch-Islamische Gemeinde Gö e.V) bekannt als DITIB mit einer Wahlliste an. Die DITIB wird dieses Jahr auch wieder einige türkisch-islamistische Kandidaten aus der DITIB-Moschee-Gemeinde für den Sitz im Integrationsrat vorstellen. Die DITIB ist kein harmloser Moscheeverband und keine Gruppe normaler muslimischer Gläubigerinnen, sondern kooperiert und identifiziert
sich mit dem politisch herrschenden System der Türkei. Dabei tut sie sich vor allem mit Verbindungen zur nationalistischen und islamistisch extremen Rechten hervor.
Der DITIB-Verband mit 900 Moscheen in Deutschland wird von türkischen Staatsbeamten gesteuert und vom türkischen Staat finanziert. Es handelt sich hier um einen Verein, der der faschistischen Regierung der Türkei untersteht und dessen Mitglieder zu einem Teil auch Mitglied der faschistischen türkischen Organisation ‚Graue Wölfe‘ sind,.
Von den ungefähr 2,8 Milionen aus türkei stammenden Menschen in BRD betätigen sich etwas 11000 Personen aktiv als türkische Rechtsextremen Grauwolfen, die sich als Ülkücü(Idealisten) bezechnen.
Der im Berlin Exil lebende türkisch kritische Journalist Erk Acarer wurd am Mittwochabend 07.Juli.2021 vor seinem Haus von „drei Unbekannten“ angegriffen und am Kopf verletzt.
Dies wollen wir als Migrantische Linke International für die Göttinger Öffentlichkeit dokumentieren, um Rassistinnen, Nationalistinnen und patriarchale Sexistinnen jeglicher Couleur zu enttarnen und eine klare Haltung der Stadt Göttingen, der Zivilgesellschaft und der anderen Wahllisten gegen die rechten Kandidatinnen der DITIB einzufordern.
Kandidatinnen auf der Liste, die möglicherweise eine ablehnende Haltung gegenüber Nationalistinnen haben, sollten sich von dieser Liste
zurückziehen und distanzieren.
Wir als Migrantische Linke International stellen uns klar gegen jeglichen Rassismus und Nationalismus; und genauso gegen Islamophobie und den Fremdenhass des rechten Mobs. Wir kämpfen gegen die rassistische Politik, gegen die Islamophobie der AFD, gegen faschistische Organisationen und gegen rassistische Staaten! Wir kämpfen für eine solidarische Welt. Eine Welt ohne Rassismus, Sexismus und Ausbeutung.
Das gilt hier, aber auch anderswo – ob in der Türkei gegen Kurdinnen, im Iran gegen Afghanerinnen, in Pakistan gegen das balutschische Volk oder im Libanon gegen syrische Flüchtlinge – Rassismus und Nationalismus ist für uns keine Alternative!
Die islamischen Verbände und Gruppen – besonders die aus der Türkei – sehen das ganz anders: Einerseits fühlen sie sich als Opfer des Rassismus hierzulande, aber anderseits werden die rassistischen und faschistischen Genozide und die Repression, die seit Gründungszeit des türkischen Nationalstaats gegen mehrere Millionen Griechinnen, Armenierinnen, Alevitinnen und Kurdinnen, begangen werden ausgeblendet und ignoriert.
Wir haben von keinerlei islamischen Verbänden einen Artikel gesehen, in dem sie die Regime im Iran, in der Türkei, im Libanon oder in Pakistan wegen der massiven Menschenrechtsverletzungen, Hinrichtungen und Steinigungen in den letzten 20 Jahren verurteilen.
Für uns ist es sehr wichtig die Religionsfreiheit zu verteidigen, aber nicht zuzuschauen wie die Relegionsfreiheit missbraucht wird. Wir erwarten von Wählerinnen und den gewählten Kandidatinnen bei einer Teilnahme am Integrationsrat mindestens, sich zu den Grundwerten der Pressefreiheit und Meinungsfreiheit zu bekennen und eine entsprechende Kritik an den Zuständen in der Welt und den massiven Menschenrechtsverletzungen z.B. in der Türkei zu formulieren. Viele türkische, kurdische und iranische linke Aktivistinnen in Göttingen befürchten, von radikalen islamistischen Verbänden wie DITIB als „Verräterinnen“ bedroht zu werden; wenn sie öffentlich die Menschenrechtsverletzungen und Repression in der Türkei, im Iran und in anderen islamischen Staaten kritisieren.
Die Stadt Göttingen kritisieren wir, weil sie mit der DITIB kooperiert. Z.B. bei der Beschäftigungsförderung, bei Kindern und Familien über die Kooperation mit der DITIB in Kindergärten. Vor Ort machen viele DITIB-Moscheen Jugendlichen Angebote, engagieren sich im Stadtteil – tun also immer noch genau das, was man sich wünscht: Muslime integrieren und sie ermutigen, an der Gesellschaft teilzuhaben. Aber sie machen das alles, damit sich die Jugendlichen mit der Politik Erdoğans identifizieren. Die Zusammenarbeit mit der Stadt macht es möglich, dass diese Einflußmöglichkeiten der DITIB zu Gunsten des Erdoğan-Regimes benutzt werden, dass Kritikerinnen in der türkischen Gemeinde identifiziert werden und möglicherweise bei türkischen Sicherheitsbehörden denunziert werden. Wir fordern von der Stadt Göttingen: Keine Kooperation mit der islamistischen DITIB in unserem Namen! Wir brauchen weder Weiß-dominierte noch islamistische Verbände als Stellvertreterinnen!
Internationalistische, migrantische Linke in Göttingen
Kontakt: migrantischelinkegoe@riseup.net