Gegen das Ausschlussverfahren – Solidarität mit Ramsis Kilani!

Warum wir gegen einen Ausschluss und das Ausschlussverfahren von Ramsis Kilani aus der Partei Die Linke sind. Von Maya Mosler-Cohen, Volkhard Mosler (Ko-Kreis marx21) und Johannes Bosse (Ko-Kreis marx21)

Die Linke in Deutschland ist in der Frage Israel seit 1967 und dem sogenannten Sechstagekrieg, der mit dem militärischen Sieg Israels zur Besetzung des ganzen historischen Palästinas führte, tief gespalten. Ein Teil der Linken hat sich mit Berufung auf die historische deutsche Schuld von Auschwitz und Holocaust mit dem Staat Israel solidarisiert, ein anderer Teil, zu dem wir uns zählen, sieht in der Kolonisierung Palästinas durch den Zionismus, die Bewegung des jüdischen Siedlerkolonialismus und der daraus folgenden Unterdrückung, Vertreibung und Vernichtung der indigenen palästinensischen Bevölkerung einen Bruch linker, sozialistischer und internationalistischer Grundsätze. Dieser Widerspruch unterscheidet die deutsche Linke von allen anderen linken Bewegungen weltweit und  schwächt  die Solidarität mit den vom Zionismus unterdrückten und vertriebenen Palästinensern.

Hunderttausende Palästinenser:innen wurden verletzt, zehntausende getötet – alles im Namen eines »Selbstverteidigungsrechts« Israels

Auch die Partei Die Linke ist von diesem Widerspruch nicht verschont geblieben. Bislang hat sie diesen Widerspruch ausgehalten. Jetzt, auf dem Höhepunkt eines genozidalen Vertreibungsfeldzugs der israelischen Armee gegen die Palästinenser:innen, stellten zwei führende Funktionär:innen der Linken gegen ein Parteimitglied palästinensischer Herkunft, dessen engste Familienangehörige 2014 durch israelische Bomben in Gaza getötet wurden, einen Ausschlussantrag. Der Antrag liegt uns im Wortlaut nicht vor.

Wir sehen jedoch in dem Antrag den Versuch, den oben dargestellten Widerspruch in der Linken zu unterdrücken. Der Antrag wurde noch vor dem Platzen der Ampel-Regierung gestellt, fällt aber nun in den Bundestagswahlkampf.

Wir fordern die Antragsteller auf, ihren Ausschlussantrag zurückzuziehen. Über ein Jahr nach Kriegsbeginn ist nicht zu übersehen, dass Israel unter Führung einer in Teilen rechtsextremen Regierung einen kolonialen Vertreibungsfeldzug gegen das gesamte palästinensische Volk führt, mit dem offensichtlichen Ziel, das ganze historische Palästina zu annektieren und den Anteil der Palästinenser:innen in dem vergößerten Israel so zu verringern, dass die Gründung eines unabhängigen Staates der Palästinenser:innen auf dem Boden des historischen Palästina für alle Zeiten unmöglich wird. Hunderttausende Palästinenser:innen wurden verletzt, zehntausende getötet – alles im Namen eines »Selbstverteidigungsrechts« Israels. In der Westbank, in der es offiziell gar keinen Krieg gibt, wurden im letzten Jahr fast 1.000 Palästinenser:innen von rechten Siedlermilizen und der israelischen Armee getötet. Und dies alles Namen einer »Verteidigung«.

Annexionismus bedeutet ethnische Säuberung und Unterdrückung. Die Linke würde ihre demokratischen und sozialistischen Prinzipien verraten, wenn sie sich in dieser Frage »neutral« verhalten würde

Wir setzen uns dafür ein, dass sich Die Linke vorbehaltlos gegen Annexionismus, die gewaltsame Aneignung von Landesteilen schwächerer Nationen durch stärkere, stellt. Das gilt für das historische Palästina nicht weniger als für die Ukraine. Annexionismus bedeutet ethnische Säuberung und Unterdrückung. Die Linke würde ihre demokratischen und sozialistischen Prinzipien verraten, wenn sie sich in dieser Frage »neutral« verhalten, oder sogar auf die Seite der Unterdrücker:innen stellen würde.

Ein Ausschluss Ramsis Kilanis aus der Linken wäre auch ein fatales Signal an die große Bevölkerung mit Migrationsgeschichte in Deutschland. Die Linke hat eine gute Tradition im Kampf gegen Rassismus (Sahra Wagenknecht ausgenommen), der sich – angeführt von der AfD – immer stärker gegen Migrant:innen islamischer Herkunft richtet.

Ein Ausschluss Ramsis Kilanis wäre ein Signal der Kapitulation vor dieser neuesten, antimuslimischen Variante des Rassismus, der auch von den Parteien der sogenannten Mitte und deren Regierungen immer wieder genährt wurde – nicht zuletzt durch repressives Vorgehen gegen die Solidaritätsbewegung mit den Palästinenser:innen im Gaza-Krieg.

Zahlreiche Sprech- und Demonstrationsverbote sowie die Ausladung israelkritischer Redner:innen haben schon jetzt die Grundrechte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt

Der Vorwurf des Antisemitismus wird als Waffe in der Diskussion um die Politik Israels eingesetzt, um Kritiker:innen zu diffamieren und auszugrenzen. Zahlreiche Sprech- und Demonstrationsverbote sowie die Ausladung israelkritischer Redner:innen haben schon jetzt die Grundrechte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit eingeschränkt. Mit der am 7. November von einer großen Mehrheit des Bundestages beschlossenen Resolution zum angeblichen »Schutz jüdischen Lebens in Deutschland« wird dem antimuslimischen Rassismus Tür und Tor geöffnet. Horst Haenisch schrieb dazu: »Mit der Betonung eines Antisemitismus, der ›nicht zuletzt auf Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas und des Nahen und Mittleren Ostens basiert‹, hat die Resolution die islamfeindliche Argumentation der AfD übernommen und diese geradezu eingeladen! Brandmauer?«

In dem Beschluss werden antisemitische Anschläge, wie der von Halle auf eine vollbesetzte jüdische Synagoge (2019), nicht einmal erwähnt. Betont wird stattdessen »Antisemitismus« von Migrant:innen aus Ländern muslimischer Tradition. So wurde der Weg freigemacht für eine Zustimmung der faschistischen AfD, deren führende Vertreter:innen das Gedenken an den Holocaust als »Schande« (Höcke) dargestellt oder Hitler und die Verbrechen der Nazis als »Vogelschiss« (Gauland) bezeichnet haben.

Wir halten die Durchführung eines geordneten Ausschlussverfahrens gegen ein Mitglied der Linken mit palästinensischer Herkunft erst Recht unter solchermaßen aufgeladenen Voraussetzungen für nicht vorstellbar.

Dieses Verfahren wird genüsslich von der bürgerlichen Presse gegen Die Linke ins Feld geführt werden, ganz gleich wie das Ergebnis aussehen wird

Wir fordern daher die Antragsteller auf, ihren Antrag zurückzuziehen, dies umso mehr, als er in die Zeit eines Bundestagswahlkampfes fällt, was sie zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht wissen konnten. Dieses Verfahren schadet der Linken, es wird genüsslich von der bürgerlichen Presse gegen Die Linke ins Feld geführt werden, ganz gleich wie das Ergebnis aussehen wird.

Wir fordern die Landesschiedskommission auf, die Behandlung des Antrages mindestens bis nach der Bundestagswahl auszusetzen.

Wir fordern darüber hinaus, dass Ramsis Kilani aus der Linken nicht ausgeschlossen werden darf. Wir sind nicht in allen Punkten seiner Meinung, sehen das aber auch nicht als Bedingung, um uns solidarisch mit ihm und gegen seinen Ausschluss zu zeigen. Wir sind der Meinung, dass die von Ramsis Kilani öffentlich vertretenen Positionen zum Nahost-Krieg den zulässigen Diskussionsrahmen der Linken nicht sprengen und dass in der Linken aufgetretene politische Differenzen nicht öffentlich und ohne äußeren Zwang eines Bundestagswahlkampfes geführt und ausgetragen werden müssen.

Ausschlussanträge sind kein geeigneter Weg, diese seit langem bestehende Kontroverse sachlich zu führen.

Der Beschluss und die Petition bieten einerseits die Möglichkeit, Basisaktivitäten in den Kreisverbänden zu organisieren und sind andererseits ein guter Einstieg für die weitere inhaltliche Auseinandersetzung in unserer Partei

Wir halten den Beschluss des Parteitages in Halle zur Unterstützung der Petition »Für einen gerechten Frieden in Gaza. Waffenexporte stoppen & Hilfsblockade beenden!«  für einen richtigen und wichtigen Schritt für die Partei. Wir haben aktiv an diesem mitgearbeitet.

Er löst nicht den oben genannten Konflikt innerhalb der Linken und entspricht auch nicht eins-zu-eins unserer Position, aber er schafft Handlungsfähigkeit in den jetzt entscheidenden Fragen des Waffenstillstands, der Beendigung der völkerrechtswidrigen Blockade Gazas und des Schutzes palästinasolidarischer Proteste und Meinungsäußerungen vor Kriminalisierung. Der Beschluss und die Petition bieten damit einerseits die Möglichkeit, Basisaktivitäten in den Kreisverbänden zu organisieren und sind andererseits ein guter Einstieg für die weitere inhaltliche Auseinandersetzung in unserer Partei. Diese Auseinandersetzung sollte jedoch parteiintern stattfinden und nicht in der bürgerlichen Öffentlichkeit beziehungsweise Medien, deren Ziel es ist, Die Linke in dieser Frage zu spalten und einzelne Mitglieder zu diffamieren. Die ohnehin emotional aufgeheizte innerparteiliche Debatte wird nicht sachlicher und faktenbasierter, wenn sie gleichzeitig von den Medien kommentiert und begleitet wird – im Gegenteil.

Foto: Pro-Palestine protest in Kreuzberg, Germany, on October 21st, 2023, via Creative Commons.

Quelle: https://www.marx21.de/gegen-das-ausschlussverfahren-solidaritaet-mit-ramsis-kilani/