Stoppen wir die Hinrichtungen im Iran & überall!

Für die Freilassung aller politischen und sozialen Gefangenen!

Für die Entwicklung eines neuen Verständnisses von Solidarität!

Liebe solidarische Menschen!

Die Hinrichtungsmaschinerie der Islamischen Republik Iran hat erneut innerhalb einer Woche das Leben von acht Menschen genommen, vor allem von kurdischen Aktivist*innen in Verbindung mit ihrer politischer Betätigung gegen den Gottesstaat in den Jin Jiyan AzadîAufständen.

Kurz nach Bekanntwerden der aktuellen Hinrichtungswelle sind seit dem 25. Januar diesen Jahres 61 gefangene Frauen* im berüchtigten Evin-Gefängnis gemeinsam in den Hungerstreik eingetreten, um ihre Solidarität mit weiteren von Hinrichtungen bedrohten Gefangenen auszudrücken.

Ebenso solidarisieren sich die Familienangehörigen, die seit Jahren für Gerechtigkeit für ihre durch den Staat ermordeten Angehörigen kämpfen, mit den Gefangenen.

Mehrere kurdische Menschenrechtsorganisationen haben in Kurdistan zum Generalstreik aufgerufen. Seit drei Tagen bereits sind in mehreren kurdischen Städten aus Protest gegen die Hinrichtungen Geschäfte geschlossen.

Seit Dienstag, dem 30. Januar 2024, haben sich die politischen Gefangenen aus dem ebenfalls berüchtigten Gefängnis Ghazal-hesar den Protesten angeschlossen aus Protest gegen die Vollstreckung des Urteils gegen vier kurdische Landsleute und andere Todesurteile. Sie wollen bis zur Einstellung der „Hinrichtungsmaschinerie“ der Islamischen Republik ab sofort wöchentlich für einen Tag in den Hungerstreik treten.

Die Liste der Hinrichtungen durch das mörderische islamische Regime ist sehr, sehr lang; wir können nicht alle Namen aufzählen. Viele Gefangene im Iran sind weiterhin unmittelbar von Hinrichtung bedroht.


Seit der Machtübernahme hat das islamische Regime im Iran diese Form des politisch motivierten Mordens als Mittel eingesetzt, um sich zu etablieren und seine Macht zu festigen. Von tödlichen Schauprozessen über die systematische Unterdrückung politischer abweichender Meinungen nach der Revolution bis hin zu brutalen Unterdrückung und den Massentötungen in Kurdistan und Belutschistan, von der Durchsetzung der Scharia-Gesetze und der Kriminalisierung persönlicher Beziehungen und einvernehmlicher Intimität bis hin zur Hinrichtung von Dissident*innen auf der Grundlage erzwungener Geständnisse – der Galgen war für das Regime immer bereit, und es ist ihm offensichtlich egal, was die Welt darüber denkt.


Nach der Ermordung von Jina Amini am 16. September 2022 waren als erste die Menschen in den kurdischen Gebieten von tiefem Zorn erfüllt. Ihr Wutausbruch und ihre Aufstandsbewegung breitete sich dann auch in vielen Städten in anderen Regionen des Irans aus. Und so antworteten abertausende unterdrückter Menschen, und vor allem Frauen*, mit der Zerstörung von Bildern und Symbolen der Islamischen Republik. Neben den kurdischen Menschen, waren es vor allem belutschische und arabische Menschen, die das System der islamischen Republik praktisch in Frage stellten.

Da in den Jin Jyan Azadî-Aufständen die Hoffnung auf durchgreifende Veränderungen in der Gesellschaft wiederbelebt wurde, nutzt das islamische Regime wie immer Massenhinrichtungen, um die Menschen zu terrorisieren und einzuschüchtern. Zur Zeit stehen an die 10 Menschen jede Woche auf der Hinrichtungsliste. Viele der Ermordeten wurden wegen angeblichen Drogenhandels hingerichtet. Die Mehrheit der Inhaftierten und Ermordeten sind aus den marginalisierten Gebieten mit kurdischen, belutschischen und arabischen Minderheiten, die am meisten von den staatlichen Repressionen und der strukturellen Diskriminierung betroffen sind. Dies ist nicht überraschend. Die belutschischen, kurdischen und arabischen Minderheiten waren schon immer wichtige Kräfte des Protests und des Widerstands, und das islamische Regime hat immer versucht, sich zu rächen und ihren Widerstand durch Hinrichtungen zu brechen.

Die bisher begonnenen Proteste werden jedoch nicht ausreichen, um diese Ermordungsmaschine zu bremsen oder gar völlig zu stoppen. Mehrere Familienangehörige wie auch Freund*innen der von Hinrichtung bedrohten Gefangenen verbringen Tag wie Nacht vor den Türen der Gefängnisse. Ihre Hoffnungen können nur dann wahr werden, wenn eine große Solidarität entstehen würde. Alle politischen Gefangenen im Iran – insbesondere jedoch die zum Tode verurteilten Inhaftierten – benötigen schnell Unterstützung, bevor es zu spät ist!

Wie können wir uns mit den politischen und sozialen Gefangenen praktisch solidarisieren?

Uns geht es hier mit diesen Aufruf nicht darum, die Verbrecher des islamischen Regimes vor den Internationalen Gerichtshof zu ziehen, weil die dort vertretenen Staaten selbst vielfach kollaborieren mit den Regimes des Irans, der Türkei, Sudans, Saudi-Arabiens, … .

Wir glauben nicht, dass die Situation sich durch Vermittlung dieser selbst repressivst vorgehenden Staaten ändern würde.

Es gibt einige Abgeordnete der politischen Parteien in Deutschland, die eine „Taskforce“ gegründet haben, um Gerechtigkeit für die ermordeten Gefangenen im Iran zu fordern. Sie haben nach den Aufständen im Iran einige „Patenschaften“ für Gefangene übernommen. Diese „politischen Patenschaften“ haben am Schicksal der politischen Gefangenen im Iran oder anderswo auf der Welt aber nichts wirklich geändert. Als Geste für die mediale Öffentlichkeit werden ein, zwei Menschen freigelassen, aber im stillen weitere 100 Aktivist*innen festgenommen.
Politiker*innen der GRÜNEN, SPD, FDP, CDU sind selbst alle gemeinsam verantwortlich für die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen Deutschlands und Europas mit den diktatorischen Staaten Türkei, Iran, Saudi-Arabien, Sudan…. und gleichzeitig auch verantwortlich für die neu verabschiedeten Gesetze zur Abschottung Europas und für die sofortige Abschiebung von Geflüchteten z.B. nach Iran oder in die Türkei, weil auch diese beiden Länder als „Sichere Herkunftsländer oder Drittstaaten“ bezeichnet werden. Was bedeutet es, wenn die Politiker*innen der genanten Parteien nun „Patenschaften“ für die Gefangenen übernehmen?

Solche „Unterstützung“ ist nicht nur nutzlos, sondern sie ist direkt kontraproduktiv, weil sie das völlig falsche Bild vermittelt, es werde ja bereits etwas wirkungsvolles unternommen, und dann müssten andere nichts mehr dazu unternehmen. Außerdem erkaufen sich diese Politiker*innen damit eine Art Absolution für die von ihnen selbst vorangetriebene Außerkraftsetzungen von Menschenrechten etwa bei der Bekämpfung von Geflüchteten.

Um es noch klarer dar zu legen: #Zeynab_Jalalian, eine kurdische Aktivistin, die zur Zeit gemeinsam mit anderen Frauen in den Hungerstreik getreten ist, hat seit 2009 im deutschen Parlament einen politischen Paten – besagter Pate war aber nicht einmal für eine internationale Bekanntmachung des Falls nützlich, inszeniert sich selbst aber als (Pseudo-)Menschenrechtler. Manche der Gefangenen, die auch Abgeordnete als Pat*innen hatten, wurden längst schon hingerichtet.


Selbstverständlich fordern wir die Freilassung aller politischer und sozialen Gefangenen. Aber wir wissen, dass solche Pat*innen-„Unterstützung“ viele freiheitliche Menschen in die Irre führen und leider auch falsche Hoffnung bei den Angehörigen erwecken.

Für uns als Linke wird nie und nimmer aus dieser „Unterstützung als Patenschaft“ eine Lösung für die Unterdrückten im globalen Süden erwachsen. Nur durch Kämpfe von unten und durch globale Solidarität von unten erreichen wir selbst Befreiung!

Wie aber kann eine praktische Solidarität mit Menschen im Globalen Süden aussehen? Wie kann eine praktische Solidarität mit den politischen Gefangenen aussehen, deren Leben aufgrund ihres Einsatzes für die Freiheit akut bedroht ist?

Es geht uns um eine Auseinandersetzung mit den hiesigen Linken, die sich als Internationalist*innen bezeichnen.

Wir möchten euch fragen:

Wie kommt es, dass wenn deutsche linke Aktivist*innen vom Polizeistaat kriminalisiert werden, wir schnell relativ viele Leute zu einer Protestkundgebung mobilisiert bekommen und somit eine Form von Solidarität schnell umsetzen, aber gleichzeitig zu einer lange angekündigten Solikundgebung gegen die Kriminalisierung von kurdischen Aktivist*innen sich hier nur 40 Leute beteiligen?

Um bitte nicht falsch verstanden zu werden: Es ist gut, dass Leute sich zusammen gegen Repression wehren, wie es am Anfang des Satzes dargestellt ist, und auch notwendig für die Kämpfe um Befreiung.

Wir sehen die beeindruckende Kraft belutschischer Frauen, die für die Freiheit und gegen die bereits jahrzehntelang andauernde Ermordung und Verschleppung und das Verschwindenlassen von Tausenden Belutsch*innen durch das pakistanische Regime kämpfen und zu einem langen Marsch mobilisieren, aber sie finden hierzulande praktisch keinerlei Beachtung und auch keine Unterstützung durch die sich radikal verstehende Linke.

Aber bei einer Anti-AfD-Demo sind dann (endlich mal!) zig tausende Menschen auf den Straßen. Wobei es ja auch wichtig ist, gegen die faschistischen Netzwerke vorzugehen, aber eben auch zu erwähnen, dass die AfD und andere Nazis nur eine Art konsequenter Fortsetzung einer Politik der bürgerlichen Parteien und des spaltenden Stammtisch-Rassismus sind. Wir freuen uns natürlich dennoch, wenn wenigstens eins von hunderten faschistischer Netzwerke angegriffen wird.

Die treibenden Kräfte der Widerstands im Globalen Süden, in Kurdistan, Belutschistan, Iran und Sudan, Türkei werden seit Jahrzehnten mit brutalen und oft todbringenden Methoden von den Herrschenden unterdrückt. Trotz der Unterdrückung haben es die Widerstand Leistenden geschafft in manchen Orten kollektive Räume für menschenwürdiges Leben als Überlebensstrategie zu schaffen, wie etwa in Rojava, in den Widerstandskomittees in Sudan, in Belutschistan. Jegliche Freiheitsbewegung in derartigen Gebieten wird von den Herrschenden als eine Gefährdung der Stabilität für ihre diktatorischen Regime und darüber hinaus auch für alle kapitalistischen Mächte angesehen.
Daher werden diese Graswurzeln der Befreiung entsprechend intensiv von den Regierungen im globalen Süden und auch Norden bekämpft.
Die kapitalistischen Zentren führen tagtäglich Krieg in den Ländern des globalen Südens mit den oft von ihnen abhängigen diktatorischen Regimes, lassen dort billige Produkte durch „billige Arbeit“ schaffen. Diese Ausbeutung und der moderne Kolonialismus setzten alltäglich brutale Gewalt voraus, aber hier im Herzen von Europa nimmt sie fast niemand wahr.

Die kurdische Freiheitsbewegung wird mit militärischer Unterstützung faschistischer Politiker wie Erdogan in der Türkei, in Syrien und in Irak niedergeschlagen und die die Freiheitsbewegungen unterstützenden Aktivitäten von Kurd*innen in Europa werden in der Folge der „Deals“ mit der Türkei kriminalisiert (Anti-Flüchtlings-Deal; Aufnahme Schwedens in die NATO).

Sämtliche Technologie, die das iranische Regime zur Zeit zum Zweck der Massenunterdrückung einsetzt, kommt aus China, Russland und aus europäischen Ländern. Besonders auch deutsche Firmen wie Daimler, Siemens, Heckler&Koch sind wichtige Lieferanten. Das iranische Regime hat dadurch mittlerweile eines der modernsten Systeme zur Kontrolle und Zensur des Internet mit Hilfe einer deutschen Firma in Nordrhein-Westfalen entwickelt ( https://taz.de/Iranische-Tarnfirmen-in-Deutschland/!5885984/ ).

Durch diese Unterstützung konnte das iranische Regime von 2019 bis heute abertausende Menschen in die Knäste stecken und mehr als 1500 Menschen in Stille umbringen.

Was bedeutet das für uns als internationalistische Linke?

Jede Freiheitsbewegung in der Welt – im Iran, im Sudan, Kurdistan und anderswo – wird durch die Kooperation der Herrschenden des globalen Südens und des globalen Nordens unterdrückt. Für transnationale Linke ist es eine wichtige Aufgabe jedes herrschende System unter die Lupe zu nehmen und bei allen Schweinereien das System anzugreifen und den Verbrecher*innen das Handwerk zu legen. Solidaritätsarbeit hierzulande, im „Herzen der metropolitanen Bestie“, bedeutet auch ganz klassisch: Ein Vorgehen gegen die Unterstützung der Konterrevolution wie den Export von Waffen und Überwachungstechnologie. Alles was solchen diktatorischen Regime Halt und Stabilität schenkt, angreifen und sabotieren. Niemand erwartet von Linken hier, dass sie die Aufstände im Iran oder Sudan, Belutschistan romantisieren oder moralisieren; sondern dass sie mit kritischer Beobachtung die sozialen Kämpfe unterstützen. Linke Politik muss bereit sein, ihre politische Anschauung zu ändern und einen genaueren und differenzierenden Blick auf andere „Ecken der Welt“ zu werfen und die Stimmen der dort kämpfenden Revolutionär*innen zu hören und auch der von dort geflohenen Revolutionär*innen.

Billige Rohstoffe, billige Arbeitskraft und Migrationskontrolle waren und sind immer von zentraler Bedeutung für die kapitalistische Profite; daraus resultieren auch die derzeitigen Kriege. Wichtig ist der damit verbundene Transfer von Reichtümer aus der Peripherie in die kapitalistischen Zentren. Daher werden die Herrschenden des globalen Nordens nie ihre profitablen Kontakte mit dem iranischen, dem sudanesischen und anderen Regimes abbrechen. Es werden tausende Freiheitskämpfer*innen im Globalen Süden geopfert, damit Europa bzw. Deutschland seine derzeitige Energiekrise bewältigen kann, sein Wirtschaftswachstum sichern kann und die rassistische Flüchtlingsbekämpfungsstrategie umsetzen kann. Diese Verbindungen der Herrschenden zu sabotieren ist auch Aufgabe der transnationalen Kämpfe. In Zeiten, in denen die gesellschaftliche Spaltung durch Rassismus, Nationalismus weiter zuspitzt wird, müssen wir zusammen stehen – zusammen stehen in unserem Kampf für ein menschenwürdiges Dasein, gegen Ausbeutung, gegen den Raubbau an natürlichen Ressourcen, für bezahlbaren Wohnraum, für die Rechte von FLTBGQ+, für einen solidarischen Umgang untereinander.

Iran, Türkei, Sudan sind geografisch relativ weit weg von uns, aber dennoch sind wir in unserem Kampf gegen Repression in vielerlei Hinsicht verbunden. Daher müssen wir gemeinsam und solidarisch handeln.

Liebe Leser*innen,wir möchten euch bitten den Text zu lesen und auch in euren Gruppen, imFreund*innenkreis über die dargestellten Zusammenhänge zu diskutieren.Wir können und müssen uns selbst gegenseitig bilden und auchkritisieren, um ein neues Verständnis von Solidarität zu entwickeln.Es geht um weltweite Kooperation von unten, eine Perspektive derPraxis, die sich weniger auf Staatlichkeit bezieht, umso mehr dafüraber auf die transnationale Solidarität der vielen. Es besteht eine konkrete aktuelle Notwendigkeit der Solidaritätaufgrund der Menschen, die seit Jahren hinter den Mauern derislamischen Republik sitzen, und die damit für ihren Kampf für einegerechte, menschliche Gesellschaft einen hohen Preis zahlen. Wir dürfensie nicht ihrem Schicksal bzw. der staatlichen Willkür überlassen. Nurdurch gemeinsamen Kampf können wir neue Rechte erobern und diegewonnenen Rechte verteidigen. Solidarität tut den Gefangenen gut und gibt ihnen Kraft, weiter zukämpfen.

Denn: Meine Freiheit ist an deine Freiheit gebunden.

solidarische Grüße fluechtlingscafegoe@riseup.net