*Redebeitrag von AK Asyl Gö zum Gedenken an Oury Jalloh*
*Oury Jalloh,Laye Condé, Dominique Koumadio, N’deye Mariame Sarr,
Christy Schwundeck ,Amad Ahmad.* sind nur die bekannteren Fälle. Viele
starben abseits der Öffentlichkeit auf Abschiebeflügen, in Abschiebehaft
oder auf der Straße.
Redebeitrag von AK Asyl Gö zum Gedenken an Oury Jalloh
07.Jan.2021
Liebe Freund*innen und Freunde,
wir haben uns oft an diesem Ort versammelt, um einem von Rassist*innen
ermordeten Menschen zu gedenken.
Es ist noch nicht lange her, dass wir hier standen, um nach dem rechten
Terroranschlag in Hanau unsere Trauer und Wut auf die Straße zu tragen.
(((war das auch an der Polizeiwache??)))Kurz danach standen wir hier
wegen dem gewaltsamen Mord an George Floyd in den USA – verbrochen durch
Polizist*innen. Wir wollen einen kurzen Blick werfen auf die
Vergangenheit, auf den rassistischen und brutalen Feuertod von Oury
Jalloh, der vor 16 Jahren – am 7.Januar 2005 – in der Zelle des Dessauer
Polizeireviers geschah.
Der Tatort wurde manipuliert, bei den Ermittlungen wurde geschlampt und
Polizistinnen logen vor Gericht. Unabhängige Gutachterinnen kamen zum
Schluss, dass Oury Jalloh vermutlich angezündet wurde, ein leitender
Staatsanwalt kam zu dem Schluss, dass ein begründeter Mordverdacht
vorliegt und wegen einer Tötung Jallohs ermittelt werden sollte.
Trotzdem wurden die Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft Halle 2019
eingestellt.
Das Scheitern der Ermittlungen und die skandalöse Einstellung des
Verfahrens sind nur vor dem Hintergrund von institutionalisiertem
Rassismus und einer Kultur der Straffreiheit, des Täterschutzes und des
Korpsgeistes in den Reihen der Polizei erklärbar.
Oury Jalloh,Laye Condé, Dominique Koumadio, N’deye Mariame Sarr, Christy Schwundeck ,Amad Ahmad. sind nur die bekannteren Fälle. Viele
starben abseits der Öffentlichkeit auf Abschiebeflügen, in Abschiebehaft
oder auf der Straße. Laut der Kampagne „Death in Custody“ sind allein in
den letzten 20 Jahren über 159 Fälle von rassistischem Mord bekannt.
(https://deathincustody.noblogs.org).
Diese Fälle umfassen u.a. Todesfälle durch Polizeischüsse, durch
unterlassene Hilfeleistungen und Todesfälle in Gewahrsam, die von den
Behörden als „Suizid“ angegeben werden.
Rassistische Polizeikontrollen sind auch in Deutschland an der
Tagesordnung. Vordergründig durch die Aufenthaltsbestimmungen für
Asylbewerberinnen, wie die sogenannte Residenzpflicht gerechtfertigt, spiegeln sie vor allem rassistische Vorurteile der einzelnen Polizistinnen und des Polizeiapparates an sich wieder. Auf der
Strasse, auf Bahnhöfen, in Shishabars, Razzien in
Flüchtlingsunterkünften, bei Abschiebeversuchen, ……..
In diesen alltäglichen Polizeikontrollen kommen weiße Personen kaum vor
und sind nicht davon betroffen.
Diese rassistischen Kontrollen werden oft von Polizistinnen und der Gesellschaft gerechtfertigt. Rassistische Polizistinnen brauchen sich
wegen ihrer Taten keine Sorgen zu machen solange Justiz und Politik
ihnen den Rücken stärken. Und solange das Gesetz den Verstoß gegen die
Residenzpflicht als Straftatbestand für Geflüchtete einstuft.
Dieses systematische Vorgehen kann zudem rassistische Vorurteile
innerhalb der Bevölkerung verstärken und läßt sie zur rassistischen
Normalität werden.
Wie oft hören wir rassistische Sprüche in der Gesellschaft wie:
„Na ja, die Polizisten würden ja nicht ohne Grund jemanden kontrollieren“ .
Rassismus in der Polizei ist kein Einzelfall oder Fehlverhalten von
einzelnen Beamt_innen, sondern ein fester institutionalisierter
Bestandteil, historisch und gegenwärtig. Er wird verstärkt durch die
gesellschaftliche Gleichgültigkeit, die Empathielosigkeit und
Normalisierung solcher Vorfälle durch die Öffentlichkeit.
Daher überrascht uns der aktuelle Skandal um die Aufdeckung zahlreicher
rechter Netzwerke innerhalb des Polizeiapparats und der Bundeswehr
nicht. Er zeigt uns nur wie tief dieser Apparat und die Gesellschaft mit
rechtem Gedankengut durchsetzt ist:
Austausch rechtsextremer Gedanken in Chats, menschenfeindliche und
rassistische Positionen in den Kneipen, rassistische Sprüche in
Krimi-Filmen, der NSU-Komplex, rechtsextreme Drohmails an Linke und die
Rechtsanwältin der Betroffenen von NSU-Morden durch die Polizei…
Diese zunehmenden faschistischen Aktivitäten, die wir seit Jahren und
bis heute erleben, sind eine konsequente Fortsetzung einer Sieben
Jahrzehnte-lang andauernden Politik der BRD nach 1945. Wir haben es mit
einem Staat zu tun, der in seiner Entstehung faschistische Netzwerke
direkt und indirekt wieder ins Leben gerufen hat. Alte Nazis und neue
Nazis wurden in Behörden und Institutionen wieder zusammengebracht oder
konnten ihren Einfluss in der Justiz und in der Politik ungebrochen
fortsetzen. Der NSU und viele andere faschistische Netzwerke haben sich
durch das staatliche, rassistische Klima politisch sozialisiert und üben
brutale Gewalt aus und Morden.
Wir müssen uns ein Bild der Realität machen: in der gegenwärtigen
Situation und unter dem Eindruck des kapitalistischen Zustands mit
rassistischer und faschistischer Hetze von Nazis und dem Staat wird sich
die Situation weiter verschärfen..
Politiker*innen aller Parteien rufen nach der „wehrhaften Demokratie“,
nach der Polizei und dem „starken Staat“, um angeblich Sicherheit und
Ordnung in der Gesellschaft zu garantieren.
Wir können uns nicht auf den Polizeiapparat oder auf den Staat verlassen!
Wir fordern an dieser Stelle die Zivilgesellschaft auf:
-Übernehmen wir gemeinsam Verantwortung.
-Beobachten wir die Polizei kritisch und stellen uns rassistischen Taten
entgegen – ob im Stadtteil, in der Bahn, auf der Strasse, in der
Unterkunft, bei Abschiebeversuchen, in der Schule oder am Arbeitsplatz.
-Lasst uns gemeinsam den rassistischen Alltags bekämpfen, indem wir
aufeinander aufpassen und solidarisch miteinander sind!
Unsere Zusammenarbeit ist viel viel stärker und schöner als die
rassistische Hetze und Gewalt!!