Kriminalisierung von Flüchtlingsaktivist: Dringende Solidarität gefordert

Soli-Aufruf / Soli-Call online auf Englisch & Deutsch.
http://cultureofdeportation.org/2019/08/31/stephansposching/

Soli-Aufruf: Stephansposching Polizeieinsatz – Prozess gegen Geflüchteten wird am 3., 16. und 26.9. in Deggendorf fortgesetzt

Das Verfahren gegen einen Geflüchteten aus Sierra Leone, der bei der
massiven Polizeirazzia im Oktober 2018 im Ankerzentrum Stephansposching
in Bayern festgenommen wurde, wird am Dienstag, den 3. September 2019 um 9 Uhr vor dem Amtsgericht Deggendorf fortgesetzt (evtl. mit Folgeterminen am 16.9. und 26.9., jeweils um 9 Uhr). Mohamed B. wird
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Gefangenenbefreiung und
Sachbeschädigung vorgeworfen.
Diese Vorwürfe, für die es kaum Belege gibt, folgen dem bekannten Muster
der Kriminalisierung von Asylsuchenden durch massive Polizeieinsätze in
Bayern.

In der Nacht zum 24. Oktober 2018 sollte aus dem Lager in
Stephansposching eine Person abgeschoben werden, die jedoch nicht
angetroffen wurde.
Stattdessen nahm die Polizei einen nigerianischen Geflüchteten fest, der
sich verbal mit der gesuchten Person solidarisiert und die unangemessene
Vorgehensweise der Polizei bei der nächtlichen Durchsuchung kritisiert
hatte. Die Beamtinnen hatten die Mehrheit der in der Industriehalle schlafenden Geflüchteten aufgeweckt und sich respektlos verhalten. Aufgrund der Proteste und der Solidarität mehrerer Bewohnerinnen konnte
der gefesselte Nigerianer aus dem Polizeiwagen fliehen. Die Folge war
eine massive Razzia in der Unterkunft im Laufe des Tages durch hunderte
teilweise schwer bewaffnete Beamtinnen, darunter Bereitschaftspolizei, SEK und Hunde. Personen- und Zimmerkontrollen wurden durchgeführt, die viele Zimmer völlig verwüstet zurückließen. Die Operation hatte keinen anderen Grund als die Bewohnerinnen einzuschüchtern (BFR, 26.10.2018
https://www.fluechtlingsrat-bayern.de/beitrag/items/fluechtlingsrat-erhebt-zweifel-an-der-darstellung-der-polizei-zu-den-vorfaellen-in-stephansposching-und-fordert-aufklaerung.html
).

Im Laufe des Tages wurden 17 Bewohner festgenommen, auch Mohamed B. Vier
Männer wurden in U-Haft genommen, und später folgten etwa 10 Strafbefehle.
Für B. sah der Strafbefehl sieben Monate Haft auf Bewährung vor. Dagegen
legte B. Anfang 2019 fristgerecht Einspruch ein. Doch das Amtsgericht
Deggendorf hat bereits unter Beweis gestellt, dass es die Rechte von
schwarzen Geflüchteten für vernachlässigbar hält. So war die zuständige
Richterin zunächst nicht bereit, eine Hauptverhandlung durchzuführen.
Stattdessen versuchte sie bei einem ersten Termin am 22. August, B. zu
einem Geständnis zu überreden, indem sie ihm mit bis zu fünf Jahren Haft
drohte. Er solle die siebenmonatige Bewährungsstrafe akzeptieren, da
diese „mild“ sei und alle anderen ebenfalls gestanden hätten. Auch B.s
Pflichtverteidiger empfahl mit Nachdruck, ein Geständnis abzuliefern.

Mohamed B. gab nicht auf und wiederholte, dass er am 24. Oktober 2018
nur deshalb verhaftet wurde, weil ein leitende Mitarbeiter des
Ankerzentrums seinen Namen an die Polizei weitergegeben hatte – als
persönliche Rache dafür, dass B. zuvor Kritik an den Bedingungen im
Lager geäußert hatte.
Diesen Grund für seine Festnahme, dass er also B.s Namen von dem
Mitarbeiter bekommen habe, bestätigte ein Polizeizeuge, der am 22.
August 2019 befragt wurde, nachdem die Richterin der Eröffnung des
Hauptverfahrens zugestimmt hatte. Die Richterin reagierte überrascht,
als deutlich wurde, dass der Zeuge keine Angaben machen konnte, die die
Anklage gegen B. stützen. Nach unseren Informationen werden die meisten
der 18 Zeugen, die das Gericht zu den drei kommenden Terminen geladen
hat, das ebenfalls nicht können.

Wir rufen Aktivistinnen und Freundinnen auf, ihre Solidarität zu
zeigen und die politisch motivierte Kriminalisierung und Legitimation
der Polizeigewalt gegen Geflüchtete kritisch zu beobachten. Mohamed B.
braucht Eure Unterstützung auch deshalb, weil er am 3.9. nicht von seinem
Wahlverteidiger vertreten werden kann, da die Richterin zu einer
Terminverschiebung nicht bereit war.

*Kommt zum Gericht am 3.9. Um 9 Uhr (und am 16.9. & 26.9.): *

Amtsgericht Deggendorf: Amanstraße 17, 94469 Deggendorf