Iran: Interview mit einem Mitglied der Freie Arbeiter*innen -Union
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Interview mit Ali Nejati, Mitbegründer freie Arbeiter*innen union von Haft-Tappeh Zuckerfabrik Iran.
„Viele Mitglieder der Gewerkschaft waren Repressionen, Folter und Inhaftierung ausgesetzt. von Bahram Ghadimi 22/04/2022
Seit mehreren Jahren erleben wir die ständige zunehmenden die Kämpfe der Arbeiter*innen , Bauer*innen in verschiedenen Orten . Wenn an einem Tag die Arbeiter*innen von Khatunabad (Kupferminen)ihre Wut auf die Straße tragen, sind es an einem anderen Tag die belutschiche Arbeiter*innen die auf der Straße gegen Unterdrückung und Ausbeutung demonstrieren; wenn an einem Tag Veramten Bauer*innen aus Isfahan protestieren und das Flussbett gegen die künstliche Dürre infolge des übermäßigen Baus von Staudämmen besetzen, überschwemmt die Flut arabischer Arbeiter*innen und Bauer*innen in das Viertel von Kuchabdollah (Ahvaz); Wenn eines Tages die Minenarbeiter eine Straße blockieren, um ihrer Stimme Gehör zu verschaffen, erheben die Lehrer der Schulen des Landes ihre Stimme in ihren eigenen Protesten; wenn diejenigen, die ihre Ersparnisse in den Banken der kapitalistischen islamische Regime verloren haben, sich aus Protest vor dem Parlament versammeln, drücken die Busfahrer*innen der Stadt ihre Solidarität mit ihnen auf verschiedene Weise aus… Aber der Kampf, der sich wie der Refrain eines langen Gedichts seit vielen Jahren unaufhörlich ankündigt, ein Kampf, der „seine Poesie aus der Zukunft schöpft“, ist der der Arbeiter*innen des Haft-Tappeh-Zuckerfabrik
Die Proteste der Haft-Tappeh-Beschäftigten richtete sich zum ersten Mal im Jahr 2006, als sie sich gegen die verspätete Lohnauszahlungen. In diesen Kämpfen wählten die Arbeiter die Gewerkschaft als Träger ihres Kampfes, und dank ihrer Gründung setzten sie ihren Kampf in einer besser organisierten Form fort. In all diesen Jahren waren viele Mitglieder*innen der Gewerkschaft Haft-Tappeh Repressionen, Folter und Inhaftierungen ausgesetzt. Dank ihrer Solidarität und ihres Kampfes konnten sie jedoch zum ersten Mal den Staat der Islamischen Republik Iran dazu zwingen, den Privatisierungsplan von Haft-Tappeh zu revidieren und das Unternehmen wieder in die Hände derjenigen zu legen, denen der Staat es zuvor selbst übergeben hatte. Dies bedeutet noch nicht, dass die Privatisierung des Unternehmens ausgeschlossen ist, aber allein die Tatsache, dass es von den Kapitalisten, die direkt mit den Behörden des Regimes verbunden sind, zurückerobert wurde, gilt als außergewöhnlicher Sieg in der Islamischen Republik Iran und kann wertvolle Lehren für die Arbeiterklasse enthalten.
Das Interview, das Sie weiter unten sehen werden, bringt die Kontinuität des Kampfes der Arbeiter von Haft-Tappeh voll zum Ausdruck, die zusammen mit den Arbeitern von Ahvaz Steel gezeigt haben, dass der Zauber der Privatisierung als Retter der kapitalistischen Krise nichts als eine fiktive Legende ist, deren Folgen nur die zunehmende Verarmung der Arbeiter und Werktätigen und die Zerstörung der Umwelt und der Natur sind.
F: Unter welchen klimatischen und geografischen Bedingungen befindet sich Haft-Tappeh, und was sind seine Merkmale?
A: Haft-Tappeh liegt in der Provinz Khuzestan nordwestlich der Stadt Ahvaz, der Hauptstadt der Provinz Khuzestan. Das Klima in Khuzestan ist trocken, obwohl es in der gesamten Region trockene und halbtrockene Klimazonen gibt. Aufgrund der geografischen Gegebenheiten des Gebiets mit flachem Land und einigen Flüssen, die in den Zagroßgebirge und anderen Bergen der Provinzen Charmahal-Bajtiyari und Lorestan entspringen, fließt aus den Städten Khorramabad und Dorud viel Wasser nach Khuzestan. Der Damm in Andimeshk, der Abbaspour-Damm und der Getvand-Damm gehören zu den Staudämmen, die aus dem Zagros-Gebirge gespeist werden und die Ebenen von Khuzestan bewässern. Bis vor einigen Jahren gelangte auch viel Wasser aus den Flüssen Karun und Karjeh in die Khuzestan-Ebene, aber seit zwei Jahren befindet sich das Wasser von Khuzestan aufgrund der von ihnen geschaffenen Bedingungen, d.h. der Veränderung des Wasserflusses in Richtung Charmahal-Bajtiyari und der Umgebung der Städte Yazd und Qom, leider in einer problematischen Situation. Im Westen der Provinz Khuzestan befinden sich der Karjeh-Staudamm und der Fluss, der in der Provinz Lorestan am Zusammenfluss von Seimareh und Kashkan entspringt; das Wasser fließt von zwei Seiten in den Seimareh-Fluss: aus der Provinz Lorestan und aus dem Westen, d. h. aus Kermanshah und Ilam, und gelangt schließlich in den Karjeh-Fluss und den Karjeh-Staudamm. Im Westen der Provinz Khuzestan, in der Nähe des Irak, gibt es ein sehr großes Gebiet namens Dasht-e Abbas, in dem es leider viele Probleme mit dem Grundwasser gibt, weil dort viele Brunnen gebohrt wurden, insbesondere während der Zeit des ehemaligen Präsidenten Ahmadi Nejad.
Haft-Tappeh liegt im Nordwesten der Provinz Khuzestan und ist im Westen mit der historischen Stadt Shush, im Norden mit der Stadt Andimeshk, im Nordosten mit der Stadt Dezful, im Osten mit den Städten Shushtar und Masjed Soleyman [1] und im Süden mit der Stadt Ahvaz verbunden.
F: Hat der Bau von Staudämmen Auswirkungen auf das Recht auf Wasser [2] und Bewässerung?
A: Der Karjeh-Damm ist ein Bewässerungsdamm, aber der weiter nördlich von Andimeshk gelegene Dez-Damm hat besondere Bedingungen, da er sowohl zur Bewässerung als auch zur Stromerzeugung dient. Das Wasserrecht von Khuzestan wird durch diese Staudämme befriedigt; in den letzten Jahren ist das Wasser von Khuzestan aufgrund der Bedingungen, die durch die Eröffnung von Stahl- und anderen Industrien im Zentrum des Irans, in Yazd, Qom und anderen Städten, und durch den Transfer von Wasser dorthin geschaffen wurden, leider zurückgegangen und sein Wasserrecht nimmt immer mehr ab. Besonders in diesem Jahr hatten wir mit einer großen Dürre und zu wenig Regen zu kämpfen.
F: Wie hat sich die Dürre auf Haft-Tappeh Agro-Industrial ausgewirkt?
A: Sie wissen vielleicht, dass Zuckerrohr eine Pflanze ist, die viel Wasser braucht; angesichts der Bedingungen, die wir dieses Jahr haben, und der Nachrichten, die wir hören, werden wir höchstwahrscheinlich mit einem sehr ernsten Problem des Wassermangels konfrontiert sein, nicht nur im Zuckerrohrsektor, sondern auch in den anderen Sektoren. In Juzestán werden neben dem Zuckerrohr (dem sich mehrere Unternehmen widmen) auch Weizen, Mais, Raps, Rüben und verschiedene Gemüsesorten sowie Zitrusfrüchte wie Orangen, saure Orangen und Zitronen angebaut. Unter den derzeitigen Bedingungen wird die Aussaat all dieser Kulturen durch den Wassermangel beeinträchtigt. In diesen Tagen warnen alle vor der diesjährigen Herbstaussaat.
F: Wie sieht die wirtschaftliche Struktur der Gesellschaft in diesem Gebiet aus?
A: Wenn wir Haft-Tappeh selbst betrachten, ist ein Teil davon die Fabrik [Mühle], die als industrieller Teil betrachtet wird, ein anderer ist der landwirtschaftliche Teil, und zusammen bilden sie den Agro-Industrie-Komplex Haft-Tappeh, und sie ergänzen sich gegenseitig. Wie ich bereits erwähnt habe, verfügt Khuzestan aufgrund seines Wasserreichtums und seiner ausgedehnten Ländereien im Vergleich zu anderen Provinzen über die besten wirtschaftlichen Erträge. Aber diese Gewinne bleiben nicht in Khuzestan und verlassen die Provinz. Nicht nur im Agrarsektor, sondern auch in der Öl- und Gasindustrie werden außerordentliche Gewinne erzielt. Die größten unterirdischen Öl- und Gasvorkommen befinden sich in Khuzestan. Von Shush selbst nach Ahvaz, Abadan, Mah-Shahr, Gachsaran, Ramhormoz und Masjed Soleyman. Was die wirtschaftlichen Gewinne angeht, so ist Khuzestan die führende Provinz des Landes, aber wie ich schon sagte, verlassen die Gewinne leider die Provinz und die Lebensbedingungen der Menschen werden jeden Tag mehr und mehr beeinträchtigt. Offiziellen Statistiken zufolge liegt Khuzestan bei der Arbeitslosenquote landesweit an zweiter oder dritter Stelle. In der Provinz, in der die höchsten Gewinne des Landes erwirtschaftet werden, ist die Arbeitslosigkeit unglaublich hoch und wächst von Tag zu Tag. F: Bitte geben Sie uns einen Überblick über die Geschichte des Haft-Tappeh Agro-Industriekomplexes. Wie viele Hektar werden bewirtschaftet? Wie hoch ist das Volumen Ihrer Produktion? A: Haft-Tappeh wurde 1958 gegründet. Drei Jahre lang wurden parallel zum Bau der Fabrik, an dem amerikanische, niederländische, italienische und kubanische Unternehmen beteiligt waren, die landwirtschaftlichen Flächen für die Anpflanzung von Zuckerrohr aufgeteilt und die entsprechenden technischen Voraussetzungen geschaffen. Während dieser drei Jahre wurde die Fabrik auf die Lieferung von Zuckerrohr vorbereitet. Zwischen 1961 und 1962 wurde in Haft-Tappeh die erste Zuckerrohrproduktion aufgenommen, und gleichzeitig wurden sowohl gelber Zucker, d. h. Mastixzucker, als auch Weißzucker produziert. Im Moment habe ich keine genauen Produktionsdaten aus dieser Zeit, aber nach und nach wurde mehr Land eingeebnet und eingesät, bis 1973 eine neue Mühle hinzukam. Vor diesem Datum gab es nur eine „A“- oder Primärmühle. Der Haft-Tappeh-Komplex umfasst heute zwischen 20 und 24 Tausend Hektar Land, von denen 15 Tausend Hektar bepflanzt werden können. In Haft-Tappeh wurden unter normalen Bedingungen etwa 10.000 Hektar Land bewirtschaftet und drei- bis viertausend Hektar für die nächste Anpflanzung vorbereitet, d. h. es wurden dort Zuckerrohrsprossen für das nächste Jahr gepflanzt. Als ich dort arbeitete, wurden zwischen 117.000 und 120.000 Tonnen Weißzucker produziert, aber heute ist die Produktion zurückgegangen und sinkt von Tag zu Tag.[3] Die Produktion von Zuckerrohr ist zurückgegangen und sinkt von Tag zu Tag.
F: In welchem Umfang werden in Haft-Tappeh Industriemaschinen eingesetzt, und wie ist der Zustand dieser Maschinen?
A: Wie ich bereits erwähnt habe, besteht Haft-Tappeh aus zwei Teilen: einem landwirtschaftlichen und einem industriellen. Die erste hat mit Landwirtschaft und Anbau zu tun, die zweite mit der Fabrik.
Die Fabrik hat mehrere Abteilungen; es gibt zwei Mühlen, in denen die geschnittenen Stöcke mit speziellen Steinen gemahlen werden, die Rückstände werden abgetrennt und der Sirup wird durch ein bestimmtes Verfahren in gelben Zucker umgewandelt. Das Rohmaterial für die Herstellung von MDF und Papier wird aus den Zuckerrohrrückständen gewonnen. Diese Rückstände wurden über Vakuumröhren direkt von Haft-Tappeh zur Papierfabrik in Pars transportiert.
F: Haft-Tappeh produziert also noch andere Dinge als Zucker?
A: Die Zuckerrohrreste wurden an die Papierfabrik Pars Paper geliefert, die sie von Haft-Tappeh für die Papierproduktion kaufte. Das Unternehmen Pars Paper selbst ist ein separater Industriekomplex mit Maschinen für die Herstellung von Zellstoff, der zu Papier verarbeitet wird. Früher haben sie sehr hochwertiges Papier in verschiedenen Formaten hergestellt, aber das hat sich jetzt verschlechtert.
Zuckerrohrreste werden auch als Viehfutter verwendet: Sie werden mit Melasse, Hafer und Maiskörnern gemischt, um Futtermittel für Rinder und Geflügel herzustellen. Darüber hinaus wurden in der Vergangenheit die besten Weine und Liköre aus Melasse hergestellt und verkauft. Seit einigen Jahren gibt es kein religiöses Problem mehr und Ethylalkohol wird in Haft-Tappeh selbst hergestellt.
Außerdem gibt es eine MDF-Fabrik, die es vorher nicht gab. Die Pars Papierfabrik wurde zu Beginn der Gründung von Haft-Tappeh gegründet. Unter normalen Bedingungen, wenn es keine Probleme gab, gelangten täglich etwa 100 bis 200 Tausend Tonnen Zuckerrohr in die Fabrik, und es musste etwas mit den Abfällen gemacht werden, um den Betrieb aufrechtzuerhalten, weshalb die Papierfabrik Pars eröffnet wurde. Aufgrund der Bedingungen, die sie geschaffen haben, und wegen des Rückgangs der Pars-Paper-Maschinen in den letzten 10-12 Jahren haben sie auch eine MDF-Fabrik in Haft-Tappeh gegründet, die Pakchub heißt.
F: Wie viele Arbeitnehmer*innen sind bei Haft-Tappeh beschäftigt und in welchen Bereichen?
A: Ab 1981 hatte Haft-Tappeh etwa 6000 bis 6500 Arbeiter*innen und Angestellte, die direkt unter der Aufsicht des Unternehmens arbeiteten. In der Zuckerrohrerntezeit stellten sie zusätzlich 2000 bis 3000 Personen zum Schneiden des Zuckerrohrs ein. Die Zuckerrohrschneider*innen sind Zeitarbeiter*innen. Normalerweise beginnt die Ernte Ende Juli. Aber das hing von der Menge der Ernte und der Größe der Anbaufläche ab. Je größer die Anbaufläche war, desto länger arbeiteten die Zuckerrohrschneider*innen , bis zu 5 bis 7 Monate. Außerdem spielten die Witterungsbedingungen eine Rolle: Wenn es regnete, konnte das Zuckerrohr manchmal einen Monat oder 40 Tage lang nicht in die Fabrik gebracht werden, weil es schlammig war und die Maschinen, die das Rohr zu den Traktoren bringen mussten, im Schlamm stecken blieben. Unter all diesen Bedingungen arbeiteten die Zuckerrohrschneider durchschnittlich 6-7 Monate.
F: Wie hoch ist der Anteil der weiblichen Beschäftigten in Haft-Tappeh?
A: Der Prozentsatz der weiblichen Arbeitnehmerinnen ist im Vergleich zu den Männern sehr gering, nicht einmal vergleichbar. Im landwirtschaftlichen Bereich des Anbaus und der Bewässerung dürfen Frauen [angeblich] wegen der hohen Temperaturen und der schwierigen klimatischen Bedingungen in diesem Gebiet nicht arbeiten: Die Arbeiter in diesen Bereichen sind ausschließlich Männer. In der Industrieabteilung sind ebenfalls nur Männer tätig, aber wir haben Frauen in den Labors und als Sekretärinnen in den Verwaltungsbüros. Auf 2000 Männer kommen vielleicht 20 Frauen.
F: Hatten weibliche Arbeitnehmerinnen die gleichen Rechte wie männliche?
A: Ja, sie hatten den gleichen Lohn. Es gab keinen Unterschied. Vielmehr kam es auf das Dienstalter, das Bildungsniveau und so weiter an. Die Entlohnung richtete sich nach den Arbeitsbedingungen, aber da alle nach dem Arbeitsgesetz arbeiteten, waren alle Angestellten in Bezug auf Entlohnung, Arbeitsbedingungen und Vorschriften gleich.
F: Gibt es Kategorien für Arbeitnehmer*innen, und werden ihre Löhne nach diesen Kategorien festgelegt?
A: Ja: einfache Arbeiter*innen, der Stufe eins, je nach dem Erfahrung und Bildung auf verschiedenen Lohne eingestuft.
Als ich eingestellt wurde, betrug mein Gehalt einen bestimmten Betrag, und jedes Jahr, wenn mein Dienstalter stieg, erhöhte sich auch mein Gehalt. Die Gehälter hängen natürlich auch von der Spezialisierung ab; so erhält beispielsweise der Bediener einer Maschine, der sowohl der Verantwortliche als auch der Fachmann ist, ein anderes Gehalt als die Person, die ihm assistiert und über ein geringeres Dienstalter und eine geringere Spezialisierung verfügt.
F: Kannst Du uns einen kurzen Überblick über den Privatisierungsprozess in Haft-Tappeh und seine Auswirkungen auf das Leben der Arbeiter*innen und das Leben der Menschen in der Region im Allgemeinen geben?
A: Haft-Tappeh war ein zu 100 % öffentliches Unternehmen, aber nach der Verabschiedung von Artikel 44 der Verfassung wurden viele öffentliche Unternehmen privatisiert.[4] Im Jahr 2015 wurde Haft-Tappeh nach einer Reihe von Änderungen und Ergänzungen ebenfalls in die Privatwirtschaft überführt. Es ging nicht darum, das Unternehmen an einen spezialisierten Privatsektor zu übergeben; diese Übergabe beruhte weder auf Spezialisierung noch auf einem logischen und korrekten Vertrag, sondern wurde im Sinne von Vetternwirtschaft und Günstlingswirtschaft an Personen übergeben, die in Wirklichkeit keine Kenntnisse und keine Spezialisierung in der Zuckerrohrindustrie hatten. Die Folge war, dass sich die Arbeit und das Leben der Menschen nicht nur nicht verbessert, sondern sogar verschlechtert haben. Als Haft-Tappeh an den privaten Sektor übergeben wurde, sahen wir uns zahlreichen Problemen gegenüber. Nach den Statistiken, die mir meine Freunde vor einigen Tagen übermittelten, sind nur 50 % der Ernte eingebracht worden, und die Produktion, die früher mindestens 100.000 Tonnen betrug, ist auf 8 bis 9 Tonnen Zucker zurückgegangen, und zwar nicht auf weißen, sondern auf gelben oder Mascabado-Zucker. Laut Statistik ist bei der Umwandlung von Mascabado in Weißzucker ein Rückgang von einer Tonne pro 10.000 Tonnen zu verzeichnen, d. h. ein Rückgang von 10 %.
Nach der Übergabe an den privaten Sektor war die Situation sehr schwierig und schuf Bedingungen, die die Menschen in der Region, insbesondere die Arbeiter von Haft-Tappeh, stark beeinträchtigten. Wie bekannt, begannen die Streiks und Proteste im ersten Jahr der Privatisierung des Unternehmens, und heute, nach einer Reihe von Protesten und dank der Bemühungen der Arbeitnehmer, befindet sich das Unternehmen in einem „normalen“ Zustand.
Das Unternehmen wurde aus der Privatwirtschaft herausgelöst, was aber nicht bedeutet, dass es wieder öffentlich ist, sondern es steht unter der Aufsicht von zwei Banken; seine Zukunft ist jedoch noch nicht geklärt. Das Einzige, was klar ist, ist, dass sich das Unternehmen in einem ziemlich „normalen“ Zustand befindet und die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer gezahlt werden, aber leider produziert es nicht effektiv.
F: Einige Leute versuchen, die Arbeiter*innen in Haft-Tappeh aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit zu unterscheiden. Können Sie uns erklären, welcher Ethnie die Arbeiter angehören?
A: Die Arbeiter*innen hier sind Adlige und Araber*innen. Aber die Araber*innen sind die Mehrheit. Ich selbst stamme von hier und bin hier aufgewachsen, und wir haben nie über ethnische Zugehörigkeit gesprochen. Diese Gewerkschaft, die wir 2008 gegründet haben, ist ein Beispiel dafür: Obwohl die Mehrheit der Arbeitnehmer*innen in Haft-Tappeh Araber*innen waren (60 % Araber und 40 % Herren und andere Ethnien), waren von den 30 bis 40 Personen, die kandidiert hatten, 14 bis 15 Personen Araber und ebenso viele Nicht-Araber; bei dieser Wahl, bei der wir neun Personen in den Vorstand gewählt haben, waren 8 Herren oder Nicht-Araber und nur eine Person war Araber.
F: Welchen Einfluss hat die ethnische Zugehörigkeit der Arbeitnehmer auf den Prozess und die Art ihrer Einstellung?
A: Keine. Aber Vetternwirtschaft hat es schon immer gegeben. Heutzutage haben sich die Bedingungen stark verändert. Als ich dort arbeitete, waren die meisten Landarbeiter Araber, vielleicht wegen ihrer Spezialisierung oder der Art der Arbeit, die sie verrichteten. In der Industrie waren sie im Vergleich zu Arbeitnehmern anderer Ethnien weniger vertreten. In unserem Teil der Fabrik waren wir zwischen 5000 und 6000 Menschen, und nur sehr wenige von ihnen waren Araber. Ob jemand Araber war oder nicht, spielte bei der Rekrutierung keine Rolle, aber leider hat sich die Situation jetzt ein wenig geändert, und die ethnische Zugehörigkeit wirkt sich auf die Rekrutierung aus. Seitdem das Unternehmen einen normaleren Zustand angenommen hat, ist dieses Thema eher in den Hintergrund getreten.
F: Wie wurde die Gewerkschaft der Haft-Tappeh-Beschäftigten gegründet und was hat sie erreicht?
A: Die Gewerkschaft wurde infolge der Streiks gegründet, die wir 2006 und 2007 durchgeführt haben. Seit 2006 hatte sich die Lage des Unternehmens verschlechtert, und das Problem der Lohnzahlung hatte sich manifestiert; so begannen die mehrstündigen und mehrtägigen Proteste, die bis 2007 andauerten. Wenn die Arbeiter als Vertreter der Islamischen Arbeiterversammlung5 sprachen, wurden sie, da sie bei den anderen nicht glaubwürdig waren, sehr schlecht behandelt, und niemand hörte der Islamischen Arbeiterversammlung zu. Zu dieser Zeit hatten wir noch keine eigene Versammlung. Während dieser Proteste kamen wir aktiven Arbeitnehmer einer nach dem anderen zusammen. Jedes Mal, wenn wir mit den Unternehmensleitern über bestimmte Themen sprachen oder diskutierten, sagten sie uns: „Ihr seid keine Vertreter und müsst euch als solche ausgeben, um sprechen zu können“. Wir haben einen Brief an das Arbeitsministerium geschrieben und erklärt, dass die Arbeitnehmer die Islamische Arbeiterversammlung nicht wollen und eine andere Gruppe bilden wollen. Nach dem Arbeitsgesetz kann eine solche Gruppierung drei Formen annehmen: Arbeitnehmervertreter, Betriebsrat oder Versammlung. Wir sammelten etwa 3000 Unterschriften und reichten sie beim Arbeitsminister der Provinz ein; wir blieben hartnäckig, bis wir dank der Proteste und Streiks die Gewerkschaft wiederbelebten und über sie abstimmen, einen Fonds einrichten und neun Personen in den Vorstand wählen konnten.
Die Errungenschaften der Gewerkschaft, zumindest in den 7-8 Jahren nach 2001, waren: Da das Unternehmen den Arbeitnehmern keine unbefristeten Verträge gab, bestand eine unserer Forderungen in der Gewerkschaft darin, dass die Arbeitnehmer unbefristete Verträge und keine Zeitverträge erhalten sollten. Gleichzeitig konnten wir die Löhne der Arbeiter um 70.000 Tuman aufstocken, was damals ein beachtlicher Betrag war; wir berechneten, dass sich die Ansprüche für Ehepartner, Kinder, schlechte Wetterbedingungen, Transport, Unterkunft usw. auf 70.000 Tuman summierten. Einige Genossinnen und Genossen hatten Probleme, sie waren entlassen worden und durften den Arbeitsplatz nicht mehr betreten; wir gingen zu Verhandlungen und konnten erreichen, dass sie wieder arbeiten konnten. Dabei handelte es sich in erster Linie um finanzielle Hilfen; gleichzeitig konnten wir jedoch durch die Erhebung eines geringen Mitgliedsbeitrags von den Arbeitnehmern (für einen begrenzten Zeitraum, da sie die Arbeitnehmer für drei oder vier Monate verhaften oder entlassen würden) Flugblätter mit dem Titel „Was jeder Arbeitnehmer wissen sollte“ drucken, die Belehrungen über die Rechte der Arbeitnehmer usw. enthielten.
F: Wir wissen, dass viele der Haft-Tappeh-Arbeiter*innen verhaftet und unter Druck gesetzt wurden. gehörst du auch zu den Inhaftierten? Wurden neben inhaftierten Arbeiten , auch anderen Personen Wie Unterstützer*innen verhaftet, die mit Euch in Verbindung standen?
A: Reden hat nichts gebracht! Sechs von uns Vorstandsmitgliedern wurden entlassen. Ich war die erste Person, die entlassen wurde. Im Jahr 2008 wurde der gesamte Vorstand verhaftet; ich, der Sekretär des Vorstands, wurde inhaftiert und die anderen wurden nach drei oder vier Tagen freigelassen. Im Gefängnis von Ahvaz und im Haftzentrum des Geheimdienstsekretariats wurde ich etwa zwei Monate lang in einer Isolationszelle festgehalten: Mein Gesundheitszustand verschlechterte sich, meine Herzerkrankung begann und ich wurde in dieser Zeit mehrmals am Herzen operiert; obwohl zehn bis zwölf Jahre vergangen sind, muss ich immer noch Medikamente nehmen. Als ich entlassen wurde, durfte ich nicht zur Arbeit oder in die Fabrik zurückkehren. Die anderen inhaftierten Kameraden kehrten jedoch an ihren Arbeitsplatz zurück. Im Jahr 2009 wurden fünf weitere Personen und ich (der ein Jahr zuvor entlassen worden war) zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Nach dieser Zeit wurde ich 2011 erneut zu einem Jahr Gefängnis verurteilt und fünf weitere Personen wurden ebenfalls entlassen. Nach zwei Jahren kehrten sie einer nach dem anderen zur Arbeit zurück, aber als meine Strafe abgelaufen war, durfte ich nicht mehr zurückkehren. Ganz gleich, wie viele Klagen ich beim Arbeitsministerium, beim Arbeitsgericht und anderen Stellen einreichte, sie hielten an der Verfügung über meine Ausweisung fest. In Wirklichkeit wurde dieses Urteil nicht von diesen Stellen ausgesprochen, sondern ihnen vom Sekretariat des Staatsgeheimdienstes diktiert, da ihnen mitgeteilt worden war, dass ich unter keinen Umständen an meinen Arbeitsplatz zurückkehren dürfe. Im Jahr 2015 verhaftete mich der Geheimdienst der Pasdaran[6] zusammen mit anderen Genossinnen und Genossen wegen Gewerkschaftsaktivismus. Wir wurden zu sechs Monaten verurteilt und saßen einen Monat und etwas mehr in einem Gefängnis des Geheimdienstsekretariats ab. Das nächste Mal wurde ich zusammen mit anderen Hat-Tappeh-Arbeitern im Jahr 2018 verhaftet. Esmail Bakhsi und Sepideh Gholyan[7] waren ebenfalls unter den Verhafteten. In den letzten Jahren sind wir aufgrund unseres gewerkschaftlichen Engagements und als Person, die in der Gesellschaft lebt, auch auf wirtschaftliche Probleme gestoßen. Im Moment habe ich eine fünfjährige Haftstrafe zu verbüßen, und ich weiß nicht, was mit ihr geschehen wird.
F: Es scheint, dass die Regierung das Unternehmen von seinen „früheren Eigentümern“ zurückerobert hat, d.h. von denselben Personen, denen sie das Unternehmen im Zuge der Privatisierung übergeben hatte. Haben sie überhaupt nach der Meinungen von Arbeiter*innen gefragt oder von Oben herab fortgesetzt ?
A: Nach dem allseits bekannten Prozess, d.h. den Protesten und Streiks usw., wurde die Fabrik von der Privatwirtschaft zurückerobert, der sie von der Regierung übergeben worden war; eine Reihe von Konflikten zwischen den verschiedenen Seiten [der Machthaber] und der Rentenmafia spielte ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Rückgewinnung der Fabrik. Gegenwärtig ist die Fabrik in einem normalen Zustand; aufgrund der derzeitigen Bedingungen, unter denen die Arbeiter ihre Löhne erhalten, gibt es nicht so viele Proteste, obwohl vor kurzem die Arbeiter der Rohrschneider und einige andere protestierten, weil ihnen ein Teil ihrer Lohnerhöhung gekürzt worden war. Es bleibt nun abzuwarten, was im kommenden Jahr angesichts der Nullproduktion von Haft-Tappeh und der sehr ernsten Dürreprobleme geschehen wird. Im Moment können wir weder pessimistisch noch optimistisch sein. Wir hoffen, dass alles gut geht und die Arbeitnehmer keine Probleme haben werden, aber die Realität sieht anders aus.
F: Du sagtest, dass viele Arbeitnehmer*innen entlassen worden sind. Was sind heutzutage die Ausreden der Regierung für die Entlassung von Arbeitnehmer*innen?
A: Esmail Bakhshi zum Beispiel wurde wegen seines Aktivismus entlassen. In Wirklichkeit sind viele Arbeitnehmer nicht ausgewiesen worden und arbeiten weiter. Die Demonstranten, z.B. die Zuckerrohrschneider, sagen, dass jetzt, da das Unternehmen in den öffentlichen Sektor zurückgeführt oder aus dem privaten Sektor herausgenommen wurde (sie sagen, es wurde in die Regierung zurückgeführt, aber sie wissen es nicht genau), warum sollten die Auftragnehmer uns einstellen und warum können wir die Verträge nicht direkt mit dem Unternehmen unterzeichnen.
F: Ich erinnere mich, dass es, als die Arbeiter von Haft-Tappeh in der letzten Phase ihres Kampfes die Besetzung der Fabrik und ihre Selbstverwaltung vorschlugen, viele Diskussionen darüber gab. Ist es möglich, dass diese Diskussionen auch mit den Erfahrungen der Arbeiter*inen in anderen Ländern zu tun hatten oder dass sie in den Dialogen berücksichtigt wurden?
A: Das lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Es wurde implizit gesagt, dass die Arbeiter in der Lage sind, die Fabrik selbst zu führen. Diese Meinung habe ich auch mehrmals geäußert, d.h. dass die Arbeiter die Fabrik technisch wirklich leiten können; aber angesichts der bestehenden Bedingungen und des kapitalistischen Systems, das nicht nur den Iran, sondern die ganze Welt beherrscht, stellt sich die Frage, ob die Arbeiter von Haft-Tappeh durch die Selbstverwaltung der Fabrik mit dem herrschenden System konkurrieren können oder nicht. Stellen wir uns zum Beispiel vor, dass die Fabrik jetzt in den Händen der Arbeiter ist und sie den produzierten Zucker verkaufen wollen; nehmen wir an, dass die Kapitalisten ihren Zucker für 10.000 Tuman pro Kilo von irgendwo anders kaufen, während der Zucker aus Haft-Tappeh zum Beispiel 20.000 kostet. Können sie mit solchen Problemen die benötigten Werkzeuge kaufen? Wenn wir es logisch angehen, ist es wirklich ein unerreichbarer Slogan. Werden sie unter den gegenwärtigen Bedingungen ihre Unabhängigkeit bewahren können, wenn sie die Leitung des Werks in die eigenen Hände nehmen? Denn diese Bedingungen lassen es nicht zu und machen es unmöglich, wettbewerbsfähig zu sein.
F: Wie siehst du generell die Zukunft des Haft-Tappeh-Komplexes?
A: Wenn wir die klimatischen Bedingungen und die Wassersituation berücksichtigen, gibt es keinen Grund, optimistisch in die Zukunft von Haft-Tappeh zu blicken. Haft-Tappeh braucht Wasser und deshalb bin ich nicht optimistisch, was das Wachstum seiner Produktion im kommenden Jahr angeht (niemand weiß, was Jahre später passiert). Ich meine nicht, dass die Arbeiter in Haft-Tappeh Probleme mit ihren Gehältern haben werden, da wir uns in einem Gebiet befinden, das reich an unterirdischen Öl- und Gasvorkommen ist und eine Vorreiterrolle in der Industrie und der Landwirtschaft einnimmt; das heißt, selbst wenn die Sanktionen andauern, wird [der Staat] für die Ausgaben und Gehälter aufkommen, damit er das Gebiet weiterhin ohne staatliche Sicherheitsprobleme kontrollieren kann. Mit anderen Worten: Ich denke, es wird ein Auf und Ab geben, aber keine endgültigen Einschnitte. In jedem Fall handelt es sich nur um Theorien, und es ist nicht bekannt, was in Zukunft geschehen könnte. Vielleicht wird nichts passieren und sich nichts ändern. Vielleicht wird es noch schlimmer werden. Vielleicht wird die Fabrik geschlossen oder nicht. Ich formuliere diese Theorien auf der Grundlage sozialer Realitäten. Aufgrund der Wetterbedingungen und der Dürre sehe ich wirklich nichts Positives am Horizont, denn Wasser ist eine der Grundvoraussetzungen für die Zuckerrohrproduktion.
F: Du glaubst also, dass Klimaprobleme, der Bau von Staudämmen und Eingriffe in die Natur Ursachen sind, die Haft-Tappeh einer hoffnungsvollen Zukunft berauben?
A: Der Bau von Staudämmen, Eingriffe in die Natur und Klimafragen sind getrennte Themen, aber der Mangel an Niederschlägen in diesem Jahr, die Wetterbedingungen und die Tatsache, dass sich der übliche Lauf der Natur geändert hat, werden nicht nur für Haft-Tappeh, sondern für ganz Khuzestan Probleme schaffen, und darüber bin ich sehr besorgt. Daran besteht kein Zweifel.
F: Würdest Du Unterstützung und Solidarität von Arbeitnehmer*innen in anderen Ländern erwarten, die dieses Interview lesen könnten?
A: Natürlich würde ich das. Als Arbeitnehmer ist unser Kampf und unsere Perspektive klassenbasiert und kennt keine Grenzen, noch ist er auf eine bestimmte Region oder ein bestimmtes Land beschränkt. Arbeitnehmer in aller Welt, die die gleichen Klassenvorstellungen und Zugehörigkeiten haben, müssen sich gegenseitig begleiten und unterstützen. Denn die Arbeiterklasse kämpft gegen das internationale kapitalistische System. Dieses System kennt keine Grenzen, d.h. seine Unterdrückung, Ausbeutung und die schlechten Lebensbedingungen, die es für die Arbeitnehmer schafft, kennen ebenfalls keine Grenzen. Es handelt sich also um einen Klassenkampf auf internationaler Ebene. Die Arbeiter des Iran erwarten aufgrund der Bedingungen, unter denen sie leiden, dass alle Arbeiter der Welt sie in jeder Hinsicht begleiten und unterstützen; es ist ein Kampf gegen die Welt des Kapitals.
F: wie ist es für Streikenden Arbeiter*innen in HaftTapeh oder anderen Streikenden wie in Stahlindustrie Ahwaz(Fulad)? wie finanzert euch? habt ihr eine Spendenkasse? wovon lebt ihr während des Streiks ?
A: In Anbetracht unserer Bedingungen hier können wir leider keinen Streikfonds einrichten. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Während unseres Streiks in Haft-Tappeh in den Jahren 1997 und 1998 haben wir versucht, einen Streikfonds oder einen Wirtschaftsfonds einzurichten, aber wir wurden auf die denkbar schlechteste Weise behandelt. Wir hatten Tarifkarten, so dass jeder Arbeiter eintausend oder fünfhundert Tuman oder einen beliebigen Betrag als Mitgliedsbeitrag zahlen konnte. Aber das durften wir nicht. Damals haben wir sogar die Finanzabteilung gebeten, dies für uns zu tun, aber sie drohten uns und sagten uns, dass wir absolut kein Recht hätten, so etwas zu tun. Aufgrund der Bedingungen, unter denen iranische Arbeitnehmer heutzutage arbeiten, haben sie in den meisten Fabriken und Bereichen, in denen sie tätig sind, sei es in der Stadtverwaltung, im Öl-, Landwirtschafts- oder Bergbausektor, im Dienstleistungssektor oder in anderen Bereichen, das Problem, dass sie ihre Löhne nicht rechtzeitig erhalten. Manchmal verzögern sich die Zahlungen um zwei oder drei Monate. Für einen Arbeitnehmer, der zwei oder drei Monate lang keinen Lohn erhalten hat, ist es nicht wirklich möglich, sich an einem Streikfonds oder einem Finanzfonds zu beteiligen, wenn es Streikbedingungen gibt oder wenn ein Arbeitnehmer mit einem spezifischen Problem konfrontiert ist. Ein Streikfonds wäre möglich, wenn man die Gewissheit hätte, dass es bei seiner Einrichtung keine Sicherheitsprobleme geben würde. Wir sind nicht in der Lage, einen Streikfonds einzurichten, weder unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit noch unter dem der Lohnzahlung.
F: Gibt es außer Frau Farzaneh Seylabi noch andere Personen, die wegen der Unterstützung der Haft-Tappeh-Arbeiter verhaftet oder inhaftiert wurden?
A: Ja, Frau Sepideh Gholyan, die bei den Haft-Tappeh-Arbeitern war und derzeit wegen ihrer Bemühungen und Kämpfe im Laufe der Jahre im Gefängnis sitzt; sie wurde zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Nach den letzten Informationen, die ich von ihrer Familie gehört oder in den sozialen Medien gesehen habe, leidet Frau Gholyan an Verdauungsproblemen und hat sich möglicherweise im Gefängnis mit Covid infiziert. Leider haben sie bisher nicht zugestimmt, sie aus medizinischen Gründen zu beurlauben. Frau Sepideh Gholyan ist eine Studentin, die sagte: „Wir sind Kinder von Arbeitern und stehen an ihrer Seite“.
F: Haben Sie eine Botschaft an die Arbeitnehmer*innen, die dieses Interview lesen?
A: Das Mittel der Arbeiter*innen ist Einheit und Solidarität auf internationaler Ebene. Wie entstehen Einheit und Solidarität? Durch die Organisationen an den Arbeitsplätzen. Wir müssen versuchen, uns an unseren Arbeitsplätzen zu organisieren. Diese Organisationen können eine organische Beziehung zu anderen Fabriken und Unternehmen aufbauen und ein breites Aktionsbündnis unter den Arbeitnehmern schaffen. Aber aufgrund der Bedingungen, die wir im Iran haben, ist das für uns sehr schwierig. Wenn sie sich von der Unterdrückung, die sie erleiden, und der täglichen Ausbeutung, der sie ausgesetzt sind, befreien wollen, wenn sie wollen, dass das, was sie von ihrer Arbeit bekommen, ihnen selbst gehört, müssen sie sich in unabhängigen Gruppierungen an ihren Arbeitsplätzen organisieren.
Interviewer: Ich danke Dir vielmals.
Herr Ali Nejati: Vielen Dank. Diese Sichtweise beruht auf den aktuellen gesellschaftlichen Gegebenheiten, sie ist nicht nur eine persönliche Meinung. Ich hoffe auch, dass meine Theorie falsch ist und sich die Welt als rosig erweist.
Anmerkungen:
[1] In Mesjed Soleyman wurde die erste Ölquelle im Nahen Osten entdeckt. Siehe: Bahram Ghadimi: „Öl und Militarisierung im Nahen Osten“; Ecoportal 2007: https://www.ecoportal.net/temas-especiales/energias/petróleo_y_conflicto_militar_en_el_medio_oriente/[2] Die Wassermenge, die jede Region aus einem Fluss erhalten sollte.[3] Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums werden derzeit 2,4 Millionen Tonnen Zucker für den Inlandsverbrauch benötigt. Zusätzlich zur Zuckerrohr- und Zuckerrübenproduktion fördert die iranische Regierung Zuckerimporte, vor allem aus China, so dass die heimische Produktion nicht konkurrenzfähig ist.Nach Angaben der offiziellen iranischen Fernseh-Website Jam-e Jam Online haben vier Unternehmen, die zumeist einigen wenigen Familien gehören, das Recht, Zucker in den Iran einzuführen. Während die Zuckererzeuger ihr Produkt nicht verkaufen können, ersticken die Zuckerimporte den Markt. Véase: https://jamejamonline.ir/fa/news/763297/%D9%88%D8%A7%D8%B1%D8%AF%D8%A7%D8%AA-%D8%B4%DA%A9%D8%B1-%D8%AF%D8%B1-%1D8%A7%D9%86%D8%AD%D8%B5%D8%A7%D8%B1-%DA%86%D9%86%D8%AF-%D8%AE%D8%A7%D9%86%D9%88%D8%A7%D8%AF%D9%87[4] Artikel 44 der Verfassung der Islamischen Republik Iran, das so genannte Privatisierungsgesetz, wurde im Juli 2006 vom Obersten Führer des Islamischen Staates Iran, Ali Khamenei, geändert und genehmigt.[5] Wenige Monate nach der Revolution im Iran von 1979 löste die Regierung alle vor und während der Revolution gebildeten Arbeiterversammlungen auf und ersetzte sie durch dieses staatlich kontrollierte Gremium. Nach Angaben des Arbeitsministeriums ist die islamische Arbeitsversammlung eine Versammlung, die sich aus Vertretern der Arbeitnehmer und des Arbeitgebers (der Geschäftsleitung) zusammensetzt und in Unternehmen mit mindestens 35 Arbeitnehmern gebildet wird. Siehe: https://tashakolha.mcls.gov.ir/fa/tashakolkargari/shoraaslami/marahal[6] Nach der Revolution von 1979 bildete das neue Regime neben den traditionellen Polizeikräften und der Armee neue Sicherheitskräfte, die nicht nur militärisch, sondern auch ideologisch besser geeignet waren. Seit vielen Jahren ist die Pasdaran das größte Kartell des Landes: Die Pasdaran besitzt alles, von landwirtschaftlichen Produktionsfeldern bis hin zu Autofabriken, Rüstungsbetrieben, Ölgesellschaften usw. Gleichzeitig fungiert die Pasdaran als der „Staat hinter dem Staat“. Die Pasdaran kontrollieren praktisch einen Großteil der natürlichen und wirtschaftlichen Ressourcen des Irans.[7] Nach mehreren Verhaftungen, Folter und einem erzwungenen Geständnis, das im staatlichen Fernsehen ausgestrahlt wurde, wurde Esmail Bakhshi entlassen und ist derzeit arbeitslos und gleichzeitig ständig bedroht. Sepideh Gholyan wurde mehrfach verhaftet und auch zu einem im Fernsehen übertragenen Geständnis gezwungen. Er verbüßt derzeit eine fünfjährige Haftstrafe.