Gegen jeden Krieg, gegen jede Besatzungspolitik! Schluss mit ethnischen Säuberungen in Jerusalem & überall!
- Erklärung internationalistischer, migrantischer Linker in Göttingen
Seit jeher wiederholt sich und eskaliert der Konflikt zwischen Israel und Palästina. Dieses Mal haben sich drohende Enteignungen und rassistische Zwangsräumungen von palästinensischen Familien im Ostjerusalemer Stadtteil Sheikh Jarrah in eine Spirale der Gewalt und Gegengewalt entwickelt. Folgen der schon seit Jahrzehnten andauernden Konflikte sind viele Tausend Tote, Verwundete, Gefolterte und Gefangene. Wir verurteilen das israelische Massaker durch die hochgerüstete Armee an der Bevölkerung von Gaza und die ethnischen Säuberungen in Jerusalem. Wir verurteilen die Angriffe auf israelische Zivilist*innen durch die Organisation Hamas.
Weder hochgerüstete Militaristen an der Spitze des israelischen Staates noch die Hamas Organisation sorgen sich um das Schicksal der Menschen in Gaza oder auch in Israel. Die zivile Bevölkerung beider Seiten wird hier kollektiv bestraft. Wenn israelische Flugzeuge den Gaza-Streifen bombardieren, gewinnen Hamas und die Dschihadisten dadurch nur neue Rekruten; aus deren Sicht sind alle Israelis, alle Jüdinnen Feinde. Wenn Dschihadisten Raketen auf israelische Gebiete abschießen, wenden sich nur mehr israelische Personen an „ihren“ Staat und suchen bei ihm Schutz und Vergeltung gegen die „Araberinnen“.
Dazu kommen weitere Akteur*innen. Unter anderem verschiedene nationalistische-islamistische Staaten wie der Iran, die Türkei und die arabischen Golfstaaten, die angeblich an der Seite der palästinensischen Menschen stehen, sowie imperialistische Staaten wie die USA oder Deutschland, die auf der Seite des israelischen Nationalstaates stehen. Beide Fronten der unterstützenden Staaten sind selbst in eine nationalistisch, rassistisch und kriegerische Logik verwickelt. Wie können Europa und die USA, welche zurzeit über 15 Kriege in der Welt aktiv militärisch führen, ein friedliches Zusammenleben in Israel und Palästina ermöglichen? Wie können Staaten wie der Iran, die Türkei und arabische Staaten, welche selbst Genozide gegen kurdische, armenische, belutschische, arabische und alevitische Bevölkerungen begehen, dann Frieden in Palästina und Israel herstellen?
Wirkliche Aussichten auf eine friedliche Lösung des Palästina-Israel Konflikts kann man nicht bei den herrschenden, mächtigen und kapitalistischen Staaten finden, sondern nur in dem Widerstand der Ausgebeuteten und Unterdrückten begreifen, um so die herrschende, rassistische Logik zu begraben.
Die israelische Besatzung, Siedlungspolitik und Vertreibung der Palästinenser*innen ist ein wesentlicher Grund für den Konflikt. Einerseits erscheint sie als Versuch, das Lebensrecht der jüdischen Bevölkerung Israels zu garantieren, andererseits ist sie Ausdruck kolonialistischer Siedlungspolitik. Solange die Besatzungspolitik aufrechterhalten wird, Siedlungen ausgebaut werden und die Mauer weitergebaut wird, ist Widerstand dagegen nicht nur legitim, sondern im Sinne eines dauerhaften friedlichen Zusammenlebens notwendig.
Die Terroranschläge stellen heute ein Haupthindernis für die Entwicklung eines starken, radikalen, linken Widerstands und für Forderungen nach einem friedlichen Zusammenleben dar. Zudem werden Friedensverhandlungen schon seit Jahren nicht mehr geführt. Besonders nach dem Wahlsieg des nationalistischen Präsidenten Benjamin Netanjahu und der von ihm gebildeten religiös-konservativen Koalition ist die Hoffnung auf eine friedliche Lösung weiter in die Ferne gerückt.
Eine internationalistische Linke sollte nicht ihre Augen verschließen. Wir müssen Mut haben, den israelischen Staat als Besatzer zu kritisieren, palästinensische Konservative und dschihadistische Gruppen zu kritisieren und gemeinsam mit Jüdinnen und Palästinenserinnen einen Weg in die Freiheit zu suchen.
Häufig ist der Vorwurf zu hören, dass Kritik an der israelischen Regierungs- und Militärpolitik, zumal als öffentliche Diskussion in Deutschland, den hier latent vorhandenen Antisemitismus schürt. Wir distanzieren uns von jenen Pseudo-Linken, die alle Jüdinnen zu einem homogenen Volk machen. In ihrer angeblichen Solidarität mit Jüdinnen steckt ein positiver Rassismus, der Klassenkonflikte innerhalb der israelischen Gesellschaft ignoriert.
Unsere Vorbilder sind Kämpfe von Jüdinnen und Palästinenserinnen, die auf die Straße gehen, die gegen den kapitalistischen Krieg, gegen Besatzung, gegen Rassismus, Sexismus sind. Unser Vorbild ist eine internationalistische Linke, welche mühsam für eine Welt ohne Ausbeutung, ohne Klasse und ohne Vaterland kämpft. Sie hat kein Vaterland, in dessen nationalistischer Ideologie sie sich verlieren könnte.
Wir unterstützen die israelische Antikriegsbewegung, insbesondere die Kriegsdienstverweigerinnen der israelischen Armee und die Soldatinnen, welche Einsätze in den besetzten Gebieten ablehnen. Wir solidarisieren uns mit dem gemeinsamen Kampf der Jüdinnen und Palästinenserinnen für bezahlbaren Wohnraum. Wir unterstützen insbesondere oppositionelle israelische und palästinensische Menschen und Gruppen, die eine Zusammenarbeit und Gleichberechtigung aller Bevölkerungsteile anstreben, gegen eine rassistische Siedlungspolitik und gegen Zwangsräumung sind und sich von herrschenden, nationalistischen Diskursen distanzieren.
Wir fordern unter anderem:
- – Die Einstellung jeglichen Raketen- und militärischer Angriffe
- – Die Einstellung der Siedlungspolitik Israels
- – Die Einstellung jeglicher Waffenlieferungen in die Gebiete
- – Den Abzug der israelischen Armee aus den besetzten Gebieten
- – Gleiches Recht und Bleiberechte für alle Palästinenser*innen in Israel
- – Recht auf Gleichberechtigung
- – Recht auf bezahlbaren Wohnraum
- – Freilassung aller palästinensischer und israelischer Kriegsdienstverweiger*innen
Die Abschottung der Grenzen des Gaza-Streifens von Israel und Ägypten führten schon vor dem Krieg zu menschenunwürdigen Lebensbedingungen für die Bevölkerung. Doch mit dem Bombardement ist dieser Zustand auf das Unerträglichste zugespitzt, denn die Bevölkerung kann vor Tod und Zerstörung nirgendwohin fliehen. Daher gilt eine der Hauptforderungen der antirassistischen Bewegung hier umso dringlicher: Grenzen auf! Jetzt sofort! Überall!
Hoch die internationale Solidarität!
Internationalistische, migrantische Linke in Göttingen