Flüchtlinge fordern eine dezentrale Unterbringung während Corona
hier kommt eine Pressemitteilung des Ak Asyl Witzenhausen zur Wohnsituation Geflüchteter in Witzenhausen. Ihre Unterkunft soll geschlossen werden und sie fordern eine dezentrale Unterbringung während Corona
Am Sonntag, 31.01.2021, versammeln sich viele der Bewohner*innen der Gemeinschaftsunterkunft (GU) für Geflüchtete vor dem Blumenhaus, um gegen die geplante Schließung der GU und ihren Umzug in andere GUs zu protestieren. Auf ihren Plakaten fordern sie: ‚Wir wollen bleiben‘ und ‚Schutzorte für Frauen‘. Mit ihren Forderungen demonstrieren sie am Mittag (mit Abstand und Masken) auch auf dem Marktplatz, um eine breitere Öffentlichkeit zu
erreichen.
Auf einen Brief, den die Geflüchteten an den Bürgermeister Daniel Herz und den Leiter des Stab
Migration Uwe Kümmel geschrieben haben, gab es keine entgegenkommende Antwort. Die
Geflüchteten erklärten in ihrem Brief den Wunsch im Werner-Eisenberg-Weg zu leben bis die
Corona-Pandemie vorbei ist und sprachen über ihre Sorgen über die Pläne bezüglich der
Umverlegungen. Kümmel spricht in seiner Antwort von einem ‚für alle Beteiligten tragbares
Ergebnis‘.
Die GU im Werner-Eisenberg-Weg wird geschlossen, weil der Mietvertrag Ende März ausläuft.
Viele Bewohnerinnen verstehen die Entscheidung des Werra-Meißner-Kreises, den Mietvertrag nicht zu verlängern, nicht. ‚Gerade während der Corona-Pandemie sind kleine und nicht überfüllte Unterkünfte wichtig, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen. In den vergangenen Monaten konnten wir sehen, dass bei einem Covid-19-Fall in verschiedenen Geflüchtetenunterkünften die gesamte Unterkunft in Quarantäne gestellt wurde, und dass innerhalb der Unterkunft oft nicht für ausreichenden Schutz gesorgt werden konnte, um eine Ansteckung unter den Bewohnerinnen zu
verhindern.‘, berichtet Siegfried Asselmeyer.
Viele Organisationen, zum Beispiel die Diakonie oder der Hessische Flüchtlingsrat fordern eine
dezentrale Unterbringung Geflüchteter während der Corona-Pandemie.
Neben der Angst vor einem erhöhten Infektionsrisiko durch ihren Umzug, erzählten uns
Bewohner*innen von weiteren Problemen, die sie in ihren neuen Unterkünften erwarten werden.
Durch die Verlegung in andere Städte und Dörfer werden Menschen aus ihren sozialen
Zusammenhängen herausgerissen, haben sehr weite Wege zur Schule, Arbeit und zu ihrer
medizinischen Versorgung. Eine betroffene Familie soll z.B. in das gut 30 Kilometer entfernte
Reichensachsen ziehen. Ein Kind geht in Witzenhausen zur Schule, ein Mensch sitzt in Rollstuhl
und wird hier medizinisch versorgt. Außerdem befindet sich ihr gesamtes soziales Umfeld und
ehrenamtliche Unterstützung in Witzenhausen.
Besonders Frauen sorgen sich um ausreichende Schutzräume und eine gute Infrastruktur für den
Alltag Alleinerziehender in den neuen GUs. ‚Im Blumenhaus habe ich mit meinen Kind ein eigenes
Badezimmer, in meiner neuen Unterkunft gibt es ein Gemeinschaftsbadezimmer auf dem Flur. Das
wird mir viel Stress im Alltag bereiten‘, erzählt eine Bewohnerin. 2016 und 2017 hat die AWO, die
die GUs verwaltet und betreut, mit UNICEF ein Gewaltschutzkonzept, bei dem die Bedürfnisse von
Frauen und Kindern besonders im Vordergrund stehen, erarbeitet. Auch wenn längst nicht alle
Punkte, die in dem Gewaltschutzkonzept aufgelistet sind, umgesetzt wurden, war die Verlegung
der Frauen von der GU in Neu-Eichenberg nach Witzenhausen in den Werner-Eisenberg-Weg
damals ein wichtiger Schritt. Gerade für Frauen, die in ihrem Heimatland oder auf der Flucht
Gewalt durch Männer erfahren haben, sorgt das eigene Stockwerk mit abschließbarer Tür für
Privatsphäre und Sicherheit. Nun sollen aber die meisten Frauen ohne Kinder in eine GU in Bad
Sooden-Allendorf verlegt werden. Trotz des eigenen Stockwerkes in Bad-Sooden fühlen sich dort
nicht alle sicher, da das offene Treppenhaus keine genügende Abtrennung zum Wohnbereich der
Männer garantiert. Außerdem gibt es dort keinen eigenen Gemeinschaftsraum. Auch ein zu Fuß
erreichbarer Frauenraum, wie er 2018 in der GU Am Frauenmarkt eröffnet wurde und seitdem
Möglichkeiten für einen Frauentreff bietet, ist in Bad-Sooden-Allendorf nicht vorhanden.
Die Bewohner*innen des Blumenhauses fordern deshalb, zumindest bis zum Ende der Corona-
Pandemie dort bleiben zu können. Sinnvoller wäre eine dezentrale Unterbringung für die
Menschen. Andere Kreise Hessens bieten Geflüchteten unabhängig von ihrem Asylstatus die
Erlaubnis, in eigene Wohnungen zu ziehen. Einige Betroffene haben bereits eine Streichung ihrer
Wohnsitzauflagen beantragt und warten seit Monaten auf eine Antwort der Ausländerbehörde.
Nicht nur unter dem Aspekt der Selbstbestimmung wäre dies angebracht, gerade auch im
Angesicht der Pandemie wäre die Unterbringung in Privatwohnungen eine wichtige Maßnahme
zum Schutz der Menschen.
Kontakt: akasylwitz@riseup.net