Broschüre2 : iranische Revolution
Hallo liebe Leser*innen!
Wir haben für diese Broschüre ein weiteres Mal versucht, relevante kritische Texte zusammen zu
stellen, die ein besseres Verständnis der Revolution im Iran ermöglichen sollen.
Um darüber hinaus einige Verbindungen zwischen den revolutionären Prozessen im Sudan und im
Iran abzubilden, haben wir zwei Texte zur sudanesischen Revolution beigefügt.
Sie ist – wie bereits der erste Teil – im Internet frei verfügbar unter :
Hier ist zweite Teil: Revolutionäre Prozeß in Iran-Sudan :
Hier als PDF Datei :
Broschüre2 : iranische Revolution – Flüchtlingscafe Göttingen (fluechtlingscafe-goettingen.com)
Broschüre : iranische Revolution – Flüchtlingscafe Göttingen (fluechtlingscafe-goettingen.com)
und in gedruckter Form erhältlich bei den Schwarzen Rissen in Berlin und dem Roten Buchladen in Göttingen.
Vorweg ein Beitrag von uns als Herausgeber*innen zu den Aufständen und der Repression im Iran
In den letzten 9 Monaten wurde Iran von einer neuer Welle der Proteste erschüttert, nachdem die
Sittenpolizei des islamischen Regimes die junge Kurdin Jina Amini ermordet hatte.
Der dann begonnene Aufstand war und ist das Ergebnis vielfältiger Ursachen, die sich über
Jahrzehnte hinweg entwickelt haben: weit verbreitete Armut, Inflation, Korruption, Arbeitslosigkeit,
ideologische, religiöse und sexistische Diskriminierung, Unterdrückung, Zensur, Gefängnis,
Hinrichtungen usw.
Das, was diesen Aufstand von den vorigen Bewegungen unterscheidet, ist nicht nur seine relativ
breite Verankerung in unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, sondern allem dass die
Revolution hier von Frauen* ausgeht und getragen wird.
Als Reaktion auf diese Aufstände wurde von einigen politischen Strömungen – wie etwa den
iranischen Monarchistinnen – versucht, die Forderungen die Demonstrierenden auf Fragen wie Kleiderordnung und Kopftuch mit dem westlichem Modell als angeblichem Inbegriff von Freiheit zu reduzieren. Damit werden nur eigene Machtinteressen von Monarchistinnen und ‚Liberalen‘ für
einen neuen Regime Change bedient, der ohne tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen
ablaufen soll.
Gleichzeitig haben sich in vielen westlichen Ländern bürgerliche Politiker*innen aus zynischen
Eigeninteressen heraus den Solidaritätsprotesten angeschlossen und und sich international als
angebliche Verbündete der feministischen Bewegung inszeniert. Beispielsweise sprach Giorgia
Meloni, italienische Ministerpräsidentin und Parteivorsitzende der faschistischen Fratelli d’Italia,
über ihre Solidarität mit den protestierende Frauen im Kampf gegen das iranische Regime. Ebenso
äußerte sich Grünen-Politikerin und deutsche Außenministerin Annalena Baerbock darüber, wie
schlimm Staatsgewalt und Repression im Iran seien und betonte ihre Solidarität mit den iranischen
Frauen.
Die Parole „Jin, Jiyan, Azadi“ („Frau, Leben, Freiheit“) wurde weltweit auch von konservativen
Nationalistinnen über iranische Monarchistinnen bis hin zu westlichen Politikerinnen aufgegriffen und in einer verkürzten ‚liberalen‘ Lesart ihres revolutionären Inhaltes beraubt. „Jin, Jiyan, Azadi“ ist im Iran die Antithese zum patriarchalen, kapitalistischen und theokratischen System des Regimes. Ein System, das jeden Aspekt des Lebens zur Ware gemacht und die individuelle und kollektive Freiheit versklavt hat. Das Bekenntnis zu „Frau, Leben, Freiheit“ und die Forderungen durch die aktiven Klassen und Gruppen, die an dieser Bewegung beteiligt sind, sollte die Opportunistinnen daran hindern, diesen Slogan für ihre abscheulichen Interessen zu
missbrauchen. Also Finger weg davon !
Es sind 9 Monaten seit dem beginn der Aufstände nach Jinas Ermordung vergangen.
Seither versucht das Regime mit brutalsten und menschenverachtenden Mitteln seine Macht wieder
zurück zu gewinnen und die Protestierenden zum Schweigen zu bringen.
Seit Monaten werden Aktivistinnen der Bewegung und bekannte Oppositionelle nach
Schauprozessen öffentlichkeitswirksam hingerichtet, um die unzufriedenen Massen einzuschüchtern
und die Anhängerinnen des Regimes zu stärken. Es gibt über 30.000 Verhaftete und mehr als 700 Tote. Die Mehrheit der Inhaftierten und Ermordeten ist aus den kurdischen und belutschischen Gebieten, die am meisten von Repression betroffen sind. Nach mehreren Monaten des Kampfes auf den Straßen, in den Unis und in den Fabriken, gelang es dem Regime die Bewegung in ihrer Breite zu zerschlagen. Das Islamische Regime hat militärisch vorübergehend gesiegt, aber es wird nicht lange dauern, und die Menschen werden wieder auf den Straßen sein. Soziale Proteste/Unzufriedenheit sind im Iran eigentlich nichts Außergewöhnliches. Seit Jahrzehnten befindet sich die Gesellschaft in einem explosiven Zustand. Die Protestierenden haben es dabei mit einem brutalen System zu tun, das militärisch hochgerüstet, sämtliche moderne Waffentechnologien besitzt und diese auf den Straße gegen Protestierende auch einsetzt. Gleichzeitig bestehen mehrere große Schwächen der Bewegung: Erstens ist sie landesweit nicht bzw. sehr unzureichend mit einander vernetzt. Zweitens sieht ein Großteil der Widerstandsbewegung ihre soziale Befreiung in einem nationalen Rahmen als möglich an. Die Widerstandsbewegung im Iran hat sich in letzten Jahrzehnten kaum darum bemüht, wenigstens in der Region – im Nahen Osten, Irak, Libanon, Syrien, Palästina , wo islamische Regime ihre faschistoide Macht erweitert haben – ein revolutionäres Netzwerk aufbauen, um damit gemeinsam den hochgerüsteten Regimes entgegenzutreten. Wenn sich die Akteurinnen des revolutionären Prozesses im Iran sich nicht vermehrt und
erfolgreich um die Bildung solcher Netzwerke innerhalb des Iran und innerhalb in der Region und
auch über die Region hinaus bemühen, droht die massive Gefahr noch stärkerer und noch brutalerer
Repressionen durch das islamische Regime. Zur Zeit erleben wir sogar die Gefahr eines
bürgerkriegsähnlichen Zustandes in den kurdischen Gebieten und in Belutschistan.
In den beiden
Gebieten erleben die Bewohnerinnen an vielen Orten immer wieder Angriffe mit Artillerie und Drohnen durch die iranische Armee. Das Regime hat diese Massaker fälschlich als einen Zusammenstoß zwischen Regime-Kräften und einem lokalen Aufstand dargestellt, der aus dem Ausland (USA, Israel, sunnitische Staaten) gefördert werde. Ziel dieser Behauptung ist die Spaltung der Gesellschaft. Wir sehen es als eine große Schwäche der iranische Zivilgesellschaft an, die bisher leider jedes Mal auf diese chauvinistische Logik des islamischen Regimes hereingefallen ist und sie übernommen hat. Erinnert euch: Vor 44 Jahren, nach der Machtübernahme des islamischen Regimes, wurde die kurdische wie ähnlich auch die arabische Bevölkerung als „untreu“ und daher zum Feind erklärt. Die belutschische Bevölkerung wurde als Schmugglerinnen und Drogenbanden diffamiert und das
Regime begann in den genannten iranischen Regionen jede Selbstbestimmung und
Freiheitsbewegung zu zerschlagen. Damals gab es kaum Unterstützung von anderen Teilen der
Gesellschaft. Weil die Spaltungsstrategie des Regimes funktionierte, wurden die Menschen in
diesen Gebieten in ihrem Widerstand und ihrer Not allein gelassen.
Broschüre 2 kommt demnächst