Ampel zeigt Grün für türkische Offensive in Kurdistan

Die Türkei bombardiert die kurdischen Gebiete in Syrien und dem Irak großflächig. 26 Menschen sterben. Währenddessen besucht Faeser den türkischen Innenminister, um über Repression gegen Geflüchtete und Kurd:innen zu sprechen.

Nach dem Anschlag in Istanbul, in den das türkische Regime mutmaßlich selbst verwickelt war, hat die Türkei den Anlass genutzt und bombardiert seit gestern Abend kurdische Gebiete in Syrien und dem Irak. Obwohl Erdoğan schon seit Monaten für eine Militäroffensive wirbt, ist die offizielle Begründung des Angriffs das Recht auf Selbstverteidigung nach der Charta der Vereinten Nationen. Die aktuellen Bombardements sind Fortsetzung und Intensivierung der über das ganze Jahr schon vorkommenden Drohnenschläge und Artillerieangriffe der Türkei im Rahmen ihres Krieges gegen die nationale Selbstbestimmung von Kurd:innen und anderer Minderheiten.

Betroffen von den Angriffen sind insbesondere die Grenzregionen. Ziele waren die Regionen um Dêrik, Zirgan, der seit 2019 von der Türkei besetzten Stadt Girê Spî, Kobanê und Şehba/Efrîn. Die Art der Kriegsführung zeigt den reaktionären Charakter des Krieges. So wurde, nachdem ein Auto im Dorf Teqil Betil nahe Dêrik bombardiert wurde, gewartet, bis weitere Personen zum Angriffsort zur Hilfe kamen, um diese dann erneut zu bombardieren.

Allein dort starben neun Zivilist:innen, unter ihnen der Journalist Isam Abdullah. In Kobanê wurde ein Krankenhaus vollständig zerstört. Entgegen der Behauptung der Selbstverteidigung differenziert der türkische Angriff nicht zwischen militärischen und zivilen Zielen. Die Türkei weiß um den heroischen Widerstand, den die Kurd:innen und andere Minderheiten wie Jesid:innen zuerst gegen den IS und gegen vergangene türkische Offensiven geleistet haben. Das Ziel des türkischen Regimes ist es deshalb, die Bevölkerung zu brechen.

Hintergrund des Krieges ist sowohl der Anspruch der Türkei, ihre Stellung als Regionalmacht auszubauen, als auch außenpolitische Erfolge vorzuweisen, damit der Block um AKP und MHP mitten in der elektoralen Tiefe eine nationale Einheit wiederherstellt, um sich in der Wahlperiode zu erholen. Die Inflation war bereits im Frühjahr bei rund 70 Prozent, was massive Unzufriedenheit in der Bevölkerung auslöst und immer mehr Wähler:innen von der AKP zur kemalistischen CHP treibt, die Spekulationen zufolge sogar die nächsten Wahlen gewinnen könnten. Erdoğan versucht jetzt durch seine militärische Offensive, sich als fähigster Vertreter einer Türkei, die nach einer größeren Rolle in der Welt strebt zu inszenieren, die Bevölkerung noch weiter chauvinistisch zu durchtränken und somit auf sich einzuschwören.

Während all das passiert, ist die deutsche Innenministerin Nancy Faeser ab Montag zum Staatsbesuch in der Türkei eingeladen. Zusammen mit dem türkischen Innenminister Süleyman Soylu will sie sowohl über “Terrorismusbekämpfung” als auch über Migration sprechen. Es geht darum, dass die Türkei dabei hilft, das menschenverachtende europäische Asylregime durchzusetzen und so gut es geht den Grenzübertritt in die EU für Geflüchtete zu erschweren und am besten zu verhindern. Im Gegenzug hilft Deutschland bei der internationalen Unterdrückung der Kurd:innen.

Unter dem Deckmantel des PKK-Verbots kriminalisiert Deutschland nach wie vor einen beträchtlichen Anteil des organisierten politischen Ausdrucks von Kurd:innen. Dies geht so weit, dass beispielsweise 2019 die größte Sammlung kurdischer Medien im Mezopotamien Verlag und dem Musikvertrieb MIR im Rahmen des Verbots dieser beiden Verlagshäuser beschlagnahmt wurde. Außerdem ist Deutschland einer der größten Waffenlieferanten der Türkei. Alleine 2019 hat Deutschland Kriegswaffen im Wert von 344 Millionen Euro in die Türkei exportiert. Schon 2018 hat die Türkei deutsche Panzer gegen Kurd:innen eingesetzt. Die Vorzeichen des Treffens zwischen Faeser und Soylu kündigen also eine Verhandlung über Mord und Totschlag an und darüber, ob dessen Profit mehr der deutschen oder der türkischen Bourgeoisie zufällt.

Die kurdische Bevölkerung wird im Interesse der Mächtigen zerrieben und die ganze Welt schaut zu. Im Widerstand gegen Krieg, Repression und Asylregime können wir auf keine bürgerliche Regierung vertrauen, sondern nur auf die Macht der organisierten Arbeiter:innenklasse. Was es jetzt braucht sind großflächige Mobilisierungen der Gewerkschaften und linken Kräfte gegen das PKK-Verbot und die Repression der Kurd:innen im Inneren, die aus der Komplizenschaft zwischen der deutschen Bundesregierung und der türkischen Regierung hervorgeht. Die gemeinsame Aktion von Beschäftigten zur Verhinderung von sämtlichen weiteren Waffenlieferungen an die Türkei muss auf die Agenda aufgenommen werden.

In vielen deutschen Städten gibt es heute Proteste gegen den Krieg und die deutsche Verstrickung in diesen. Ein solches Programm muss dort vorgeschlagen werden. An folgenden Orten finden Proteste statt:

Berlin: 16:00 Uhr, Alexanderplatz
Dresden: 14:00 Uhr, Albertplatz
Frankfurt am Main: 13:30 Uhr, Hauptbahnhof
Halle: 14:00 Uhr, Marktplatz
Leipzig: 14:00 Uhr, Willy-Brandt-Platz
Magdeburg: 14:00 Uhr, Hauptbahnhof