Gegen Krieg und Klimakrise! 27.03. 15 Uhr Gänseliesel

Am 27.03. um 15 Uhr auf die Straße zum Aktionstag gegen Krieg und
Klimakrise! Beginnend am Gänseliesel wollen wir gegen den Angriffskrieg
der Putin-Regierung auf die Ukraine demonstrieren, aber auch gegen die
Nutzung dieses Krieges als Vorwand zu Aufrüstung und neuen Investitionen
in klimaschädliche Industrien.

Dieser Krieg ist das Ergebnis jahrzehntelanger Geschäftemacherei mit
einem diktatorischen Regime, aus politischem Unwillen, die lange
überfällige Überwindung fossiler Energieträger endlich umzusetzen. Die
klimatischen Folgen der Nutzung fossiler Brennstoffe haben diese
Überwindung schon seit langem zu einem Gebot der Vernunft gemacht – doch
dass Vernunft und Kapitalismus nicht gerade gut zusammenpassen, ließ
sich ja spätestens aus dem Umgang mit Corona lernen. Doch während die
Bevölkerung der sogenannten Industrieländer noch unter Schock steht
darüber, wie nah sich Krieg plötzlich anfühlt, macht die Bundesregierung
auch schon 100 Milliarden Euro und mehr zur Aufrüstung der Bundeswehr
frei – das ist nicht nur die falsche Antwort auf diesen Krieg, es ist
überhaupt keine Antwort darauf, sondern ein Vorarbeiten für eigene
offensive Armee-Einsätze! Gleichzeitig wird die plötzliche Unsicherheit
der Gasversorgung aus Russland nicht etwa mit der dringend notwendigen
massiven Förderung erneuerbarer Energien beantwortet, sondern mit einem
noch weiteren Ausbau von Gas-, Kohle- und Atomstrom. Beides wäre schon
jeweils für sich genommen schlimm genug, zusammengenommen ist es ein
fataler Kurs im wörtlichsten Sinne: Nach ewigen Klagen darüber, dass der
Umbau zur Klimaneutralität ja viel zu teuer wäre und man auf fossile
Energieträger aus Diktaturen nun mal leider nicht verzichten könne, sind
nun plötzlich ohne Weiteres 100 Milliarden Euro verfügbar und die
gesamte Strominfrastruktur wird umgekrempelt – aber alles in einer
Weise, die kein einziges Problem löst, sondern bestehende Probleme
schlimmer macht! Dagegen protestieren wir, und diesen Protest tragen wir
Sonntag auf die Straße, gerade jetzt und gerade auch zusammen mit
unserem Protest gegen die Kriegspolitik der Putin-Regierung. Denn mit
solchen Entscheidungen schafft die Bundesregierung – und nicht nur sie –
bereits die Grundlagen für den nächsten und übernächsten Krieg!

Unser Protest richtet sich deshalb hier vor Ort gegen die
Regierungsparteien und gegen die Energieindustrie. Kommt alle mit!
Gemeinsam gegen Krieg, gegen Kapitalismus, gegen die Kriegsursachen und
gegen die Fortführung der menschengemachten Klimazerstörung!

Hier findet ihr hier den Redebeitrag des
Bündnis für Offene Grenzen Göttingen:

„Liebe (Mit-)Demonstrierende,

Andreas Schwarz (SPD), der Hauptberichterstatter im Haushaltsausschuss
für den Verteidigungsetat, wird Ende März wie folgt zitiert: „Wir müssen
uns besser vor der Bedrohung aus Russland schützen. Dafür brauchen wir
schnell einen deutschlandweiten Raketenschutzschirm.“

Die Logik dieser Aussage reiht sich problemlos in das herrschende
Kriegsnarrativ ein, in dem Waffen, Gewalt und Aufrüstung die scheinbar
einzige Antwort auf den Angriffskrieg Russlands darstellen. Der
ukrainische Präsident Selenskyj und der „heldenhafte militärische
Widerstand des ukrainischen Volkes“ werden gefeiert als wäre es
September 1914. Und es sind Werte wie „soldatische Tugenden“,
„Tapferkeit“ und „Heldentum“ – natürlich in direkter Verbindung mit
„Männlichkeit“ -, die den Krieg und seine Berichterstattung prägen.

Nur wenige Stimmen sind hörbar, die Fragen dazu stellen, ob ein
Widerstand gegen eine Besatzung denn immer automatisch mit Waffengewalt
geleistet werden muss.

Und nur wenige Stimmen machen sich für die Menschen stark, deren Rechte
im Angesicht des Krieges und seiner Logik nun vollkommen in
Vergessenheit zu geraten drohen: Geflüchtete aus Drittstaaten, die z.B.
in der Ukraine in Haftanstalten festgehalten werden, trans Menschen,
deren Identität spätestens an der Grenze aberkannt wird oder auch
männlich gelesene Kriegsdienstverweigerer:

Wir fordern Menschenrechte statt Militarisierung!

Vor einigen Wochen, als bekannt wurde, dass ukrainische wie auch
polnische Grenzbeamt*innen PersonsOfColour an der Flucht aus der Ukraine
hindern, rief dies kurzfristig Empörung hervor. Doch die Empörung hielt
nicht lange an und verschwand schnell wieder hinter Berichten von
Kampfjetlieferungen oder der Debatte um eine no-fly-zone: Aber
rassistische Grenzkontrolle ist nicht erst ein Phänomen der letzten
Wochen,sondern war schon immer Alltag an den EU-Außengrenzen und
überall.
So passiert es tagtäglich, dass geflüchtete PoC ohne ukrainische
Ausweispapiere einen anderen Umgang erfahren. Zum Teil werden sie unter
menschenunwürdigen Bedingungen in haftanstaltsähnlichen Lagern im
EU-Mitgliedsstaat Polen inhaftiert. Aktuell betrifft dies mindestens 52
Geflüchtete, die in der Ukraine studierten und jetzt keinen sicheren
Fluchtweg haben.

Wir fordern sichrere Fluchtwege für alle und überall!

Bei den Lagern handelt es sich übrigens um die gleichen Lager, in denen
schon seit Monaten diejenigen festgesetzt sind, die es über die
polnisch-belarussiche Grenze geschafft haben. Das menschenrechtswidrige
Vorgehen an der Grenze zu Belarus durch die polnische Regierung gegen
Geflüchtete aus anderen Krisenregionen als der Ukraine wird auch
weiterhin fortgesetzt.

Weiterhin sind Geflüchtete täglich von Pushbacks durch polnische
Grenzbeamtinnen betroffen: Anfang letzter Woche wurden zum Beispiel Geflüchtete aus dem kurdischen Teil Iraks von polnischen Grenzerbeamtinnen aufgegriffen und in einem Waldstück brutal nach
Belarus ‚gepushbacked‘. Darunter, so die Grupa Granica, befand sich auch
ein vor weniger als 2 Monaten im Grenzgebiet geborenes Kind.

Hinzu kommt noch die Kriminalisierung von Fluchthelfenden: Mindestens 4
polnische Aktivistinnen sind für zunächst 3 Monate inhaftiert worden. Der Vorwurf vom polnischen Staat lautet, illegalisierte Geflüchtete im Grenzgebiet zu Belarus humanitär unterstützt zu haben. Übersetzerinnen, die Geflüchteten helfen wollen,
und Journalistinnen, die über das was hier geschieht, berichten wollen, werden von polnischen Grenzerinnen systematisch an ihrer Arbeit
gehindert und drangsaliert, wie auch von einer UN-Unterorganisation
beklagt wurde.

Dabei ist die wenigstens einigen Menschen bekannte, ohnehin
katastrophale Lage der Geflüchteten aus Afghanistan, Irak, Pakistan und
anderen Herkunftsstaaten, die an der belarussischen Grenze seit Monaten
festsitzen, zuletzt noch schlimmer geworden: Vor ca. 10 Tagen begannen
belarussische Grenzerbeamt*innen die Geflüchteten vor die alternativlose
Wahl zu stellen: entweder sie überqueren die Grenze nach Polen oder die
in die Ukraine.

Die wohlwollende Ignoranz der Ampelkoalition in Berlin und der
EU-Kommission in Brüssel gegenüber dem menschenrechtswidrigen Vorgehen
der polnischen Behörden ist dabei keineswegs als Ausnahme zu betrachten.
Letztlich ist das rassistische Vorgehen der polnischen Regierung Teil
der Formierung der Festung Europa wie von den Brüsseler und Berliner
Politiker*innen gewollt.

Mit Millionen von Euros aus EU-Geldern wurden auch im Nicht-EU-Staat
Ukraine in den letzten Jahren geschlossene Haftanstalten für Geflüchtete
errichtet. Aktuell hält die ukrainische Regierung unter Selenskyj in der
Haftanstalt von Zhuravychi noch zwischen 35 und 45 Geflüchtete fest, die
aus Afghanistan, Bangladesh, Kamerun, Indien, Pakistan und Sudan
stammen. Unter ihnen ist eine 31jährige Afghanin und ihr 2 1/2jähriger
Sohn, sowie ein pakistanischer Staatsangehöriger dessen Regierung
bestreitet, dass er sich dort aufhalte. Bereits vor 2 Wochen schlug eine
russische Rakete in 30 km Entfernung dieser Haftanstalt ein, doch das
veranlasste die ukrainische Regierung nicht, die Menschen von dort zu
evakuieren oder gar ziehen zu lassen.

Ganz im Gegensatz zum konstruierten Kriegsnarrativ eines
Freiheitskampfes wollen keineswegs alle Menschen – und auch nicht alle
männlich gelesenen Personen – den ukrainischen Staat mit Waffengewalt
gegen die russische Invasion verteidigen.
Ohne allzugroßes Befremden oder größeren Protest wird einfach zur
Kenntnis genommen, dass nach dem Befehl der ukrainischen Regierung,
Männer* zwischen 18 und 60 Jahren aktuell die Ukraine nicht verlassen
dürfen. Cis-Männern und anderen männlich gelesenen Personen wird das
Recht verweigert, „Nein“ zur Beteiligung am Krieg zu sagen.

Es gibt Berichte über männlich gelesene Personen, die versuchten, sich
mittels weiblich gelesener Kleidung zu schützen, und dann von
ukrainischen Grenzer*innen an der Flucht aus der Ukraine gehindert
wurden. Anschließend wurden diese Personen an die Militärverwaltung
überstellt. Was mit ihnen weiter geschah, konnten wir bislang nicht
herausfinden.

Und es gibt Erfahrungsberichte von trans Frauen, die – obwohl ihr
Gender-Status in der Ukraine behördlich anerkannt wurde -, aus den
gleichen Gründen an der Ausreise gehindert worden sind und werden.

Was wir zur Zeit erleben, ist, dass militaristische und maskulinistische
Logiken in einem noch vor kurzem unglaublich erscheinenden Ausmaß in der
Öffentlichkeit vertreten und gepusht werden.
Andere Erzählungen – wie die vom gewaltlosen Widerstand – werden aktuell
komplett ausgeblendet. Dabei werden Affekte politisch gezielt
eingesetzt: Scham und die Angst vor Beschämung müssen alle diejenigen
befürchten, die nicht mit einschwingen in den Chor derer, die meinen,
dass Gewalt nur mit Gewalt bekämpft werden könne.

Das mag hierzulande bereits schlimm sein. Unglaublich viel schwieriger
ist das aktuell für Menschen in der Ukraine und für Menschen in
Russland, sich gegen die Kriegslogik zu äußern.

Die EU anerkennt das Recht auf Asyl für russische
Kriegsdienstverweigerer*innen – warum nicht auch das für Menschen aus
der Ukraine?

Wir wissen aus Medienberichten, dass trotz der Repression in Russland
mehrere zehntausend Menschen gegen den von ihrer Regierung begonnenen
Krieg protestiert haben und weiterhin protestieren. Es gibt Berichte,
dass sich junge russische Männer über die eher wenigen noch verbliebenen
Routen aus Russland heraus in Länder wie Usbekistan oder die Türkei
absetzen, um einer befürchteten Einziehung zum Kriegsdienst zu entgehen.

Die aktuelle Befeuerung schon lange bestehender nationalistischer
Narrative und auch die Aufrüstungsvorhaben der Nato-Staaten machen es
dabei den Menschen weder in der Ukraine noch in Russland einfacher, sich
der Einbindung in Kriegslogik und Kriegsproduktion zu entziehen.

Einem Bericht der Menschenrechtsorganisation „Nash Dom“ zufolge flohen
seit Anfang März täglich um die 500 Männer* aus Belarus nach Litauen, um
sich der in Belarus drohenden Einziehung ins Militär zu entziehen. Es
gab in Belarus erfolgreiche Sabotageakte von Eisenbahner*innen, mit
denen die Bahntransportwege für den russischen Militärnachschub in die
Ukraine unterbrochen wurden.

Was es darüber hinaus an Sabotageaktionen von Kriegsgegner*innen in
Belarus, Russland und der Ukraine gab und gibt, wissen wir nicht. Wir
fordern, dass die Verweigerung von Kriegsdiensten (ob an den Waffen oder
in der Produktion und Logistik) als Asylgründe generell anerkannt
werden.

Unterdessen geht auch an den anderen Außengrenzen der EU das durch den
Ausbau Europas zur Festung verursachte Sterben weiter. Täglich sterben
Dutzende Menschen auf den Fluchtrouten durch die Sahara, das Mittelmeer
und über den Atlantik. Und die EU bereitet sich daruf vor, im lange
geplanten „Neuen Pakt zu Migration und Asyl“ die Abschottung Europas
noch weiter voranzutreiben: Vermeintliche Solidarität auf der einen,
tödliche Abschottung auf der anderen Seite – das ist Europas brutale
Realität.

Wir sagen Nein zum Krieg und zur Logik des Krieges!
Wir fordern: Aufnahme und dauerhaftes Bleiberecht für alle Geflüchteten

  • ohne rassistische Grenzziehungen!
    Migration ist Menschenrecht! Freedom of Movement is everybody’s right!“

Linksammlung zum Redebeitrag:

A call to release migrant detainees in Ukraine
By Niamh Ní Bhriain
Brussels, 23. Mar 22
https://euobserver.com/opinion/154556

Nicht unser Krieg: Viele Männer wollen die Ukraine verlassen
Ukraine Männer versuchen, trotz Kriegsrecht das Land zu verlassen, auch
weil sie keine gebürtigen Ukrainer sind. Was das UN-
Flüchtlingshilfswerk fordert
Lorenzo Tondo | Freitag Ausgabe 11/2022 (Übersetzung aus dem Guardian)
https://www.freitag.de/autoren/the-guardian/ukraine-sie-wollen-keine-wa
ffe-zur-hand-nehmen

‘I will not be held prisoner’: the trans women turned back at Ukraine’s
borders
Trans women are reportedly being denied passage to safer countries,
despite their legal status as women and the danger posed by Russia’s
transphobic policies
Lorenzo Tondo
Tue 22 Mar 2022
https://www.theguardian.com/global-development/2022/mar/22/i-will-not-b
e-held-prisoner-the-trans-women-turned-back-at-ukraines-borders

Zelenskiy wants to shame the west into action. Will it work?
Moira Donegan
Wed 16 Mar 2022 19.16 GMT
The contrast between what the Ukrainian president has been willing to
do, and what western leaders have been willing to do to help, is the
source of his moral power
https://www.theguardian.com/commentisfree/2022/mar/16/volodymyr-zelensk
iy-address-us-congress

Der linke ukrainische, in Berlin lebende Soziologe Volodymyr Ishchenko
hat ein interessantes Interview gegeben:
Interviewt von Jerko Bakotin am 10.03.22
https://www.rosalux.de/news/id/46153/den-krieg-zu-beenden-hat-absolute-
prioritaet

https://www.labournet.de/interventionen/asyl/asylrecht/festung-eu/lager-statt-gefaengnis-fuer-fluechtlinge-in-weissrussland-so-zeigt-man-dem-diktator-partner-was-humanitaet-ist-und-bezahlt-auch-ihn-dafuer/

https://www.labournet.de/internationales/keine-waffenlieferungen-in-die-ukraine-normandieformat-staerken-statt-oel-ins-feuer-zu-giessen/

(Nato-Strategie-Ausrichtung)
Das Kräftemessen des 21. Jahrhunderts
Berlin arbeitet an Nationaler Sicherheitsstrategie, EU verabschiedet
Strategischen Kompass, NATO bereitet Strategisches Konzept vor. Ziviles
Leben wird für „Sicherheitspolitik“ verfügbar gemacht.

  1. März 22 (ca. bis 02. April frei verfügbar, danach hinter paywall)
    https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8876

Fears grow of new crisis as refugees in Belarus driven into Ukraine
Dozens from Middle East ordered at gunpoint by soldiers to choose
between leaving for Poland, where soldiers have beaten them, or Ukraine
Lorenzo Tondo in Lviv
Mon 14 Mar 2022
https://www.theguardian.com/global-development/2022/mar/14/fears-grow-o
f-new-crisis-as-refugees-in-belarus-driven-into-ukraine

Weitere Links:

https://nitter.net/GrupaGranica

Human rights defenders threatened at Poland-Belarus border
15 February 2022
https://news.un.org/en/story/2022/02/1112032

Non-white refugees fleeing Ukraine detained in EU immigration facilities
23.03.2022
https://www.independent.co.uk/news/world/europe/ukraine-refugees-detention-international-students-b2041310.html

https://www.infomigrants.net/fr/post/39426/en-pologne-des-etudiants-africains-fuyant-lukraine-enfermes-dans-des-centres-de-detention?ref=tw_i

More migrants trying to reach Poland from Belarus

Marion MacGregor Published on : 2022/03/23
https://www.infomigrants.net/en/post/39396/more-migrants-trying-to-reach-poland-from-belarus