Gegen jeglichen Nationalismus“

Erklärung Internationalistische, migrantische Linke in Göttingen

Mit dem Begriff „Waffenstillstand“ verbindet die deutsche Öffentlichkeit in aller Regel vorübergehenden Frieden. Jedoch nach dem kürzlich verkündeten Waffenstillstand beschloss die Besatzungsmacht Israel mit der Operation „Law und Order“ 400 Palästinenserinnen zu verhaften (letzter Stand 30.Mai). Wenn die Besatzungsmacht von Waffenstillstand spricht, gilt für Palästinenserinnen , dass die Räumungen, Schikanen, Verhaftungen, Tötungen weitergehen, aber die deutsche Öffentlichkeit meint es herrsche Frieden und Normalität.
Was in der Geschichte des Staates Israel geschieht und geschah, bleibt ein Siedlerinnen -Kolonialismus. Die Kommunikation im Siedlerinnen-Kolonialismus ist eine Kommunikation der Gewalt. Stell dir vor: Eine Siedlerin kommt zu dir und behauptet: Dieses Stück Land wäre das seineihre und dein Grundstück sei auch seinihr Land. Dendie Siedlerin interessiert nicht wie du deinen Lebensunterhalt bestreiten kannst. Jeglicher Widerstand gegen die Landnahme der Siedlerinnen führt zu gesetzlichen Zwangsmaßnahmen. In deutschen Medien wird Vokabular gesucht und benutzt um Konflikte zu rechtfertigen: Wer hat als erstes angefangen? War die Rakete von der Hamas das erste? Es wird berichtet, ein junger Palästinenser hat einen israelischen Polizist verärgert oder junge Palästinenserinnen haben israelische Nachbarinnen belästigt. Aber worum es eigentlich geht in diesem Konflikt, wird ignoriert. Wenn wir den Palästina-Israel-Konflikt zusammenfassen wollen, kommen wir nicht darum herum große Umwege zu beschreiten: Die Gründung des Staates Israel besitzt im Kern eine kolonialistische Dimension im 20 Jahrhundert. Als Siedlerinnen-kolonialistische Unternehmung beruhte die Staatsgründung auf der Vertreibung von über 80% der indigenen palästinensisch-arabischen Bevölkerung. Bis heute wird dieser Prozess der Vertreibung weiter getrieben. Palästinenserinnen innerhalb des israelischen Staatsgebiets sind tagtäglich mit rassistischer Diskriminierung konfrontiert. Diese Diskriminierung ist sogar in zahlreichen Gesetzen festgeschrieben. Täterinnen und gleichzeitig Opfer. Einerseits erscheint Israelischen Staat als hilfloser Versuch, das Lebensrecht der jüdischen Bevölkerung zu garantieren. Andererseits ist sie Ausdruck kolonialistischer Siedlungspolitik. Eigentlich sollte die Geschichte der faschistischen Vergangenheit und Vernichtung der Jüdinnen uns im Antifaschistischen Kampf lehren, für unsere Befreiung weltweit jenseits jeglicher nationalen Staaten zu bleiben. Es sollten eigentlich Jüdinnen und Palästinenserinnen dort ein friedliches Zusammenleben ohne jeglichen Ausbeutung beginnen, aber ganz geschickt haben imperiale Staaten und pseudokommunistische Staaten mit faulen Kompromissen das Konzept des Nationalstaats wieder lebendig aufrechterhalten. Sie haben die jüdischen, israelischen Arbeiterinnen und Bäuerinnen verraten, in dem sie gezwungen wurden ein „Vaterland“ für ihre Befreiung aufrechtzuerhalten – aber nur für sich in einer Nation, nicht auch für ihre Nachbarinnen oder Ureinwohnerinnen.Anstatt ein friedliches Zusammenleben von Jüdinnen mit Palästinenserinnen anzustreben. Wir sind der Meinung und davon überzeugt, dass die tatsächliche Bekämpfung von Antisemitismus, Antimuslimischen Rassismus und Antiziganismus die Distanzierung von jeglichem Nationalen Staat bedeuten muss. Woran liegt es, dass mit jedem nationalstaatlichen Projekt das friedliche Zusammenleben scheitert? Wir sind in Deutschland bzw Europa mit zwei Fronten der Solidarität konfrontiert, die sich auf die Seite eines Nationalstaates stellen und deren Solidarität nichts mit der sozialen Befreiung zu tun hat. Ihre Solidarität bleibt verhaftet im Konzept der Nationalen Staaten. Eine intellektuelle vermeintliche Linke, die an der Seite der „westlichen demokratischen Werte“ steht, sieht Staatsmächte wie Israel, USA und Europa als Vorzeigemodell der Zivilisation, des Fortschritts, der Freiheit und für ihren Weg zum idealen Kommunismus. Dieser intellektuelle linke Flügel, der zeitweise unter dem Begriff (Anti)Deutsch bekannt geworden ist, solidarisiert sich mit den USA, mit Israel und über Staatsmächte der imperialistischen Staaten. Als die USA mit ihren Verbündeten nach dem 11.September bei der Suche nach Terroristinnen weltweit Kriege angefangen haben, erschienen kurz nach dem Afghanistankrieg in (anti)deutschen Medien wie der Jungle world, Bahamas oder Konkret Artikel, in denen diese Kriege als Fortschritt bezeichnet wurden.
Diese intellektuellen Flügel sehen „Fortschritt“ als den für sie entscheidenden Aspekt kapitalistischer Mächte und machen ihn zu ihrer Leitlinie. Die Jungle world spitzt es in einem Artikel zu auf die Parole „Fanta statt Fetwa“ ! (17.10.2001 Jungle world). „Fanta“ (Coca Cola) ist als Fortschritt und Zivilisation gemeint und „Fetwa“ als Islam-Barbarei.
„Amerikanische Mission“, „Erlösernation“, „Neugründung der Menschheit“ sind Formulierungen der (Anti)deutschen in Medien und Öffentlichkeit. Die (Anti)deutschen ignorieren, dass eben dieser “ Fortschritt“ und diese Modernisierung dabei sind, Lebensgrundlagen von Millionen Bäuerinnen und Arbeiterinnen in den 3 Kontinenten der Welt zu zerstören. Der angebliche Kampf zwischen „der Barbarei“ (Fetwa) und der bürgerlichen Demokratie bzw. dem Kapitalismus als Fortschritt, in erster Linie mit Israel und USA wird zum Hauptthema der(anti)deutschen Strömung. So lassen sich immer Gründe finden, imperialistische Angriffskriege zu führen.
Die (anti)deutsche Strömung ist damit in der Mitte der bürgerlichen Gesellschaft angekommen. Merkel, Beck, Westerwelle, Fischer, Gysi und all die anderen Vertreterinnen des deutschen Staates haben die gleiche Position. Ausserdem hat die (anti)deutsche Stimmung die bürgerliche Gesellschaft insgesamt beeinflußt. Ein neuer Rassismus gegen hier lebende Palästinenserinnen ist entstanden. Seitdem existiert in Deutschland Rassismus gegen Menschen palästinensischer Herkunft, der sich mit anderen Formen von Rassismus wie anti-muslimischem Rassismus, Antisemitismus und anti-Schwarzem Rassismus überschneidet. Dadurch wird der Kampf der Palästinenserinnen gegen systematische Unterdrückung und Besatzung aus dem Blickwinkel eines rassistischen Eurozentrismus verharmlost. Bedauerlicherweise wird diese Stimmungsmacherei weitgehend unwidersprochen in der deutschen linken Szene hingenommen. Ihr Schweigen ist uns ein Beweis dafür, obwohl ihre politische Meinungen nicht mit (Anti)deutschen übereinstimmt. Auf der sogenannten „antiimperialistischen“ (reaktionären) Seite sieht es nicht viel besser aus. Andere Befürworterinnen einer Nationalen Befreiung von Staaten sind Parteien und Medien wie junge Welt, DKP oder AIK (Anti imperialistische Koordination).
Sie benutzen permanent den Kampfbegriff des „Antiimperialismus“, in dem sie Konflikte zwischen kleinkapitalistischen mafiösen, klerikalen Regimes wie Assad, dem Iran (Ahmadinedjad), Hamas, Gaddafi, Hisbohllah, gegen große imperialistische Mächte wie den USA und den Westen als Antikapitalismus für die Befreiung der Völker verstehen und der Öffentlichkeit der hiesigen Linken Szene als internationale Solidarität vorstellen.
Diese linke Front sieht Imperialismus als ein hegemoniales internationales System der Ausbeutung. Das muss bekämpft werden, aber mit wem? Mit Regierungsmächten und Diktatoren der sogenannten Dritten Welt. Solche Pseudolinken haben Arbeiterinnen, Bäuerinnen weltweit mobilisiert und dabei propagiert, dass im Kampf gegen Imperialismus der einheimische Nationalstaat respektvoll unterstützt werden soll. Solche Linken haben im Prinzip einen Sozialpatriotismus in Trikontländer herbeigeführt indem sie sagten: wir müssen in einer vorübergehenden Phase des Imperialismus notgedrungen akzeptieren, dass Arbeiterinnen und Bäuerinnen mit ihren einheimischen Kapitalist*innen kooperieren und zusammenarbeiten.
Im Prinzip waren diese Linken das Ergebnis aus dem Scheitern der internationlistischen linken Bewegung in den 20er gewesen, die ihren Weg zum Nationalismus gefunden hatte. Sie haben mit ihrer intellektuellen nationalistischen Ideologie sozusagen „fremdbestimmte“ Ausbeutung durch die einheimische Ausbeutung ersetzt und als internationalen Kampf gegen Imperialismus präsentiert. Solche angeblichen „antiimperialistischen“ Fronten neigen schon seit langem dazu, die islamistischen Bewegungen zu „antiimperialistischen“ umzuschreiben – das ist nicht neu. Die Tragödie der iranischen „Revolution“ von 1979 hätte eigentlich allen die Augen öffnen müssen. Berichte der Jungen Welt und der DKP in Solidarität mit der „Links“-reformistisch-reaktionären kommunistischen Partei Iran und mit der islamischen Republik sind sehr sehr lang (siehe Archiv von UZ und junge Welt).
Artikel von junge Welt , Castro (Solidarität mit Ahmadinedjad):

http://www.trend.infopartisan.net/trd0609/t750609.html

https://www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/artikel/176788.neue-kriegsgefahr.html

Solche Pseudolinken haben weltweit mehr ähnliche Genossinnen als sie denken; zum Beispiel im Iran die Tudeh-Partei, eine reformistische Linke, die jahrelang das islamische Regime als antiimperialistisch bezeichnet und unterstützt hat. Wobei nicht vergessen werden darf, dass Ahmadinejad und seine „Genossen“ vom faschistischen Flügel der islamischen Republik, die im Schatten von Khomeini herangewachsen sind, immer auch Soldatinnen des Kapitals sind und nur mit der Maske des Islam und des Antiimperialismus aufgetaucht sind.
Die reformistische Linke in Europa ist zu tiefst in die westlichen Dominanzen integriert und hat mit ihrem Besserwissertum und ihrer Besessenheit in den Medien der 80er jahrelange reformistische Übung in der Verbreitung solcher abscheulicher Thesen.
Wenn die Vertreterinnen der antideutschen Position Fortschritt und Befreiung im Amerikanismus sehen, und andererseits die nationalistischen „Antiimperialistinnen“ den Fortschritt in islamistischen Bewegungen wie Ahmadinedjad, Gaddafi, Assad oder mit dem nationalistischen linken Flügel Chavez, Castro (siehe Artikel von Castro über Ahmadinedjad) sehen, dann kommen beide zum gleichen Ergebnis.
Die nationalistischen kommunistischen Fronten vergessen, dass Arbeiter*innen der Welt kein Vaterland kennen, weder islamistische Vorkämpfer wie Ahmadinedjad oder Hisbollah noch eine amerikanische „Erlösernation“.
Wir sind davon überzeugt, dass die tatsächliche Bekämpfung des Antisemitismus, des Antimuslimischen Rassismus oder Antiziganismus bedeutet, dass zu jedwedem Nationalen Staat Distanz gehalten werden muß.
Eine radikale Bewegung bedeutet den Kampf mit Mut, viel Kraft und Konsequenz gegen Krieg , Ausbeutung und gegen den Nationalstaat.

Internationalistische, migrantische Linke in Göttingen
Kontakt: migrantischelinkegoe@riseup.net