300.000 Schüler*innen in Quarantäne – aber kein Geld für Gesundheitsschutz an Schulen?
Auch an Schulen werden immer mehr Corona-Infektionen entdeckt. Doch anstatt genug Geld für alle nötigen Sicherheitsmaßnahmen auszugeben, will die Regierung mit möglichst geringen Kosten die Schulen offenhalten – in erster Linie, um die Wirtschaft nicht zu gefährden.
In den vergangenen Wochen sind die Zahlen der Neuinfektionen mit Covid-19 rasant angestiegen. Es ist nicht überraschend, dass dies auch immer mehr Schulen betrifft: Schließlich kommen hier viele Menschen auf relativ engem Raum zusammen und interagieren miteinander.
In dieser Woche meldete die Tagesschau, dass sich aktuell über 300.000 Schüler:innen, sowie 30.000 Lehrer:innen in Quarantäne befinden. Im September waren es noch rund 50.000 Schüler:innen. Diese Zahlen allein zeigen, dass Infektionen an Schulen eine immer größere Rolle spielen. Klare Daten über die tatsächlichen Infektionen an Schulen in ganz Deutschland liegen allerdings nicht vor. Der Grund ist wohl, dass die Infektionsketten angesichts steigender Zahlen und mangelnder Ressourcen der Gesundheitsämter kaum noch nachverfolgt werden können.
Zahlen aus Hamburg verdeutlichen aber, dass Schulen ein relevanter Faktor für die Ausbreitung der Corona-Pandemie sein können: Dort wurden am 2. November 104 Neuinfektionen an Schulen gemeldet, während insgesamt 456 Neuinfektionen in der Stadt verzeichnet wurden. Die Bildungseinrichtungen waren also in über einem Fünftel der Fälle der Ort der Übertragung.
Die Zahlen aus Hamburg und ebenso Fallstatistiken aus Großbritannien und Frankreich widersprechen also deutlich den Behauptungen von Politiker:innen, dass Schulen keine „Treiber“ der Pandemie seien.
Wirtschaftshilfen statt Gesundheitsschutz?
Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die vom Robert-Koch-Institut (RKI) für Schulen empfohlen werden. Während das Tragen von Masken und die möglichst geringe Durchmischung von Schulklassen grundsätzlich möglich sein sollten, hängen andere Maßnahmen von ausreichenden Ressourcen ab: Um die Klassengrößen zu halbieren, bräuchte es vor allem mehr Personal, an vielen Schulen aber auch zusätzliche Räume. Die unzureichende Finanzierung von Bildungseinrichtungen macht sich in der Pandemie also noch einmal stärker bemerkbar. Es bräuchte mehr Geld und die Bereitstellung zusätzlicher Räume durch den Staat, wenn der Präsenzunterricht aufrechterhalten werden soll.
Eine wichtige Maßnahme, um Infektionen in geschlossenen Räumen zu vermeiden, ist regelmäßiges und gründliches Lüften. Wenn das nicht möglich ist – sei es wegen zu weniger Fenster oder zu kalter Temperaturen – dann bleibt noch die Möglichkeit, Luftfilter-Anlagen einzusetzen. Alle Klassenzimmer in Deutschland mit solchen Anlagen auszustatten, würde circa eine Milliarde Euro kosten.
Nordrhein-Westfalens Bildungsministerin Yvonne Gebauer hatte das im August abgelehnt, weil eine solche Maßnahme „Unsummen verschlingen“ würde. Doch erstens geht es bei dieser Maßnahme um die Gesundheit von Millionen Schüler:innen und zweitens handelt es sich um eher kleine Summen im Vergleich zu den Milliardenpaketen, die zur Unterstützung an Unternehmen gezahlt werden. Selbst der Lufthansa-Konzern, der weiterhin an tausenden Entlassungen festhält, bekommt neun Milliarden Euro aus der Staatskasse.
Offene Schulen erfordern mehr Geld für Personal, Lüftung und Corona-Tests
Die Durchführung von Unterricht sollte weiterhin gewährleistet werden, möglichst auch vor Ort in den Schulen. Aber nicht, um die Produktion aufrechtzuerhalten, sondern um weder Jugendliche noch Eltern dadurch zu belasten, dass Betreuung und soziale Interaktion für die Schüler:innen wegfallen. Insbesondere Frauen würden von zusätzlicher Kinderbetreuung und Hausarbeit überdurchschnittlich belastet.
Wenn der Schutz vor Ansteckungen nicht gewährleistet werden kann, muss der Präsenzunterricht eingeschränkt und Schulen im Zweifelsfall auch geschlossen werden. Die Schulen um jeden Preis offenzuhalten, um die Wirtschaft nicht zu beeinträchtigten, würde bedeuten, die Gesundheit von Schüler:innen und Lehrer:innen den Unternehmensprofiten zu opfern.
Schüler:innen und Beschäftigte an den Schulen sind es, die unmittelbar von dieser Politik betroffen werden. Deswegen sollten sie es auch sein, die demokratisch entscheiden, welche Maßnahmen notwendig sind. Das Geld für die Umsetzung muss vom Staat bereitgestellt werden und darf nicht durch die ohnehin knappen Budgets der Bildungseinrichtungen begrenzt werden.
Es braucht zusätzliche Stellen, um Klassen zu verkleinern. Dabei muss es sich um regulär bezahlte und unbefristete Stellen handeln – nicht etwa um prekäre Honorarverträge, wie sie die GEW vorschlägt. Denn diese Aufstockung ist schließlich auch außerhalb der Pandemie dringend geboten.
Außerdem müssen mehr Testkapazitäten bereitgestellt werden, um die unentdeckte Verbreitung von Corona-Infektionen an Schulen zu vermeiden. Dafür wäre allerdings weiterhin eine Umstellung der Produktion in Deutschland notwendig, ebenso wie ein Herunterfahren der nicht-essentiellen Teile der Wirtschaft. Das ist aber nur realistisch, wenn die Gewerkschaften einen umfassenden Kampfplan der Arbeiter:innen aufstellen.
In Bezug auf die Schulen wäre es insbesondere die Aufgabe von GEW und ver.di, für eine konsequente Sicherstellung aller Schutzmaßnahmen einzutreten und im Zweifelsfall auch Protest und Kampfmaßnahmen der Beschäftigten dafür zu organisieren.